Jeder will eine "gute Schule" für sein Kind, am besten die beste in Reichweite. Aber erkennt man die nicht erst, wenn es zu spät ist? Wenn das Kind tagtäglich vom tollen Mathelehrer oder dem super Computerraum erzählt? Oder wenn man umgekehrt im Gespräch mit anderen Eltern erfährt, wie wirklich guter Unterricht sein kann?
Es gibt Kriterien, an denen sich die Qualität einer Schule festmachen lässt. Und die guten machen es einem sogar noch leichter, sie zu erkennen.
Anhaltspunkte liefert zum Beispiel der Deutsche Schulpreis, den die Robert Bosch- und die Heidehof Stiftung alljährlich vergeben. Für ihn hat eine Expertenkommission Kriterien zusammengestellt, an denen die Bewerberschulen gemessen werden - und die auch darüber hinaus Orientierungshilfe für eine Einschätzung der Schule um die Ecke liefern. "Der Schulpreis identifiziert die pädagogische Praxis im Alltag, die dem Adjektiv 'gut' wirklich nahe kommt - Schulen die tatsächlich tun, was pädagogische Ratgeber nur versprechen", sagt Olaf Hahn von der Robert Bosch Stiftung. Diese Kriterien können Eltern Orientierung bieten:
Leistung
Ein wichtiges Kriterium sind schlicht die Leistungen, die die Schüler der jeweiligen Schule erbringen. Der Schulpreis registriert aber nicht einfach die Top Ten der verschiedenen Leistungsvergleiche, sondern setzt die Ergebnisse der einzelnen Schulen in Relation zu ihrer Situation und ihrem Umfeld. "Wir vergleichen nicht Äpfel mit Birnen", sagt Hahn.
Man berücksichtige jeweils den Schultyp und die Rahmenbedingungen. Wenn eine Schule also beispielsweise ihren Haupteinzugsbereich in einem sozial schwachen Viertel hat, ist es umso bemerkenswerter, wenn es ihr, wie der Erich-Kästner-Schule Bochum, Preisträger im Jahr 2012, gelingt, Schüler zum Realschulabschluss zu führen, von denen in der vierten Klasse nicht einmal ein Fünftel eine Realschul- oder Gymnasialempfehlung hatte.
Vielfalt
"Eine gute Schule berücksichtigt die Bildungsvoraussetzungen, familiäre Hintergründe und auch Interessen ihrer Schüler und geht produktiv mit diesen Unterschieden um", sagt Hahn. Sie schaffe bei Bildungsbenachteiligungen einen Ausgleich und gehe im Unterricht individuell auf die Schüler ein.
Im Schulalltag kann das bedeuten, dass die Herkunft der Kinder im Unterricht aufgegriffen wird, damit sie unterschiedliche Kulturen kennenlernen, wie etwa die ebenfalls ausgezeichnete Schule am Pfälzer Weg in Bremen. Oder dass schwächere Schüler Förderkurse besuchen können, wie am Johann-Schöner-Gymnasium im bayerischen Karlstadt am Main, einem der Preisträger 2011, und sich Eltern damit teure Nachhilfestunden sparen können.
Unterrichtsqualität
Gute Schulen rücken ab vom lehrerzentrierten Frontalunterricht und geben ihren Schülern mehr Verantwortung - sie setzen auf Methodenvielfalt und praxis- und verständnisorientiertes Lernen, das sich nicht allein aufs Klassenzimmer beschränkt.
Denkbar sind da beispielsweise Aufenthaltsräume, in denen die Schüler selbstständig lesen, lernen und am Computer arbeiten können. Andere Schulen fördern eigenverantwortliches Lernen nach einem Wochen- oder Monatsplan gemäß dem individuellen Tempo des einzelnen Schülers oder jahrgangsübergreifenden Unterricht, wo die Älteren die Jüngeren unterstützen.
Verantwortung
Auch wenn es selbstverständlich sein sollte: Der aktive Einsatz für eine gewaltfreie und harmonische Atmosphäre ist nicht an allen Schulen gegeben. Wenn er deutlich spürbar ist und sich zugleich Schüler und Eltern für die Schule engagieren, ist das ein gutes Zeichen.
Die Projektleiterin des Schulpreises, Andrea Preußker, hebt etwa die Evangelische Schule Neuruppin hervor: "Jeder Schüler fühlt sich dort für sich und den anderen verantwortlich." Es gebe Schülerpatenschaften und eine eigenständig organisierte Selbstverwaltung. Die Schüler betrieben sogar ein frei zugängliches Café, mit dem sich die Schule dem gesamten Stadtteil gegenüber öffne.
Schulklima
Die Verortung im Viertel und das Schulklima selbst sind ein weiterer wichtiger Punkt: "Eine Schule soll keine Insel sein, sondern ein Teil des Ortes", sagt Hahn. An guten Schulen spüre man außerdem, dass die Schüler gerne kommen und ein aufmerksamer Umgang miteinander gepflegt werde. Das merke man auch daran, wie die Räume gestaltet seien: Ob Bilder und Plastiken der Schüler zu sehen seien, welches Essen angeboten werde, wie es auf den Toiletten aussehe.
Streitschlichtungs-Programme oder die Zusammenarbeit mit anderen Schulen oder sozialen Einrichtungen in der Nähe sind hier gute Beispiele. Das Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt am Main hat für seine Schüler Malkurse gemeinsam mit den Bewohnern eines nahe gelegenen Altenheims organisiert oder sie an einer Förderschule gemeinsam mit behinderten Kindern kochen oder musizieren lassen.
Schulentwicklung
Eine gute Schule ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus. "Keiner unserer Preisträger behauptet von sich: Wir sind perfekt. Alle Schulen haben Baustellen - aber die guten stellen sich den Hürden und Problemen des Alltags", sagt Preußker. Beispielsweise wird der Unterricht regelmäßig evaluiert oder die Zusammenarbeit und Organisation des Schulalltags hinterfragt.
Auch wenn Lehrer und Schulleitung offen sind für Anregungen und Kritik von Seiten der Schüler und Eltern oder sie sogar in Entscheidungsprozesse miteinbezieht, ist das ein gutes Zeichen. Am Johann-Schöner-Gymnasium zum Beispiel beschließen Lehrer, Eltern und Schüler Stundenplanänderungen einvernehmlich, es gibt darüber hinaus Lehrer-, Eltern- und Schülerarbeitskreise, die den Schulalltag gemeinsam gestalten. "Unser oberster Grundsatz absolute Transparenz", sagt Schulleiter Albert Häusler. "Wir sind eine eigenverantwortliche Schule mit einer demokratischen Struktur und vielen Freiheiten - man muss sie nur nutzen."
Was Eltern konkret tun können
Daher gilt ganz grundsätzlich: Gute Schulen haben nichts zu verbergen. Eltern, die vor einer Entscheidung in der Schulwahl stehen, sollten nicht nur beim Tag der offenen Tür vorbeischauen, sondern auch bei den in Frage kommenden Schulen anfragen, ob sie im Unterricht hospitieren dürfen. "Die Antwort wird viel aussagen über die Offenheit der Schule und lässt interessante Rückschlüsse zu, wenn man abgewimmelt wird", sagt Hahn.
So ungewöhnlich, wie das vielleicht klingt, ist es gar nicht - manche Schulen wie das Johann-Schöner-Gymnasium bieten sogar von sich aus Schnupperstunden für am Unterricht interessierte Eltern an. Im Unterricht sollten Eltern dann auf die Atmosphäre und den Umgang achten: Wird da Stoff gepaukt? Oder lernen die Schüler eigenständig in einer entspannten Atmosphäre? Gibt es fächerübergreifende Projektarbeit? Erklären die Lehrer, wie Noten zustande gekommen sind, oder werden sie einfach verkündet?
Auch über die Leistungen an der Schule können sich Eltern vorab informieren, indem sie entweder an der Schule selbst nachfragen oder sich im Zweifelsfall beim zuständigen Kultusministerium nach den Statistiken erkundigen. Wie viele bleiben sitzen? Wie sind die Durchfallquoten beim Abi? Wo liegen die jeweiligen Jahrgänge bei Leistungsvergleichen? Nimmt die Schule an Schüler-Wettbewerben teil? In diesem Zusammenhang ist auch interessant, ob es etwa Nachhilfeangebote oder Hausaufgabenbetreuung gibt oder besondere Fördermöglichkeiten für begabte Schüler.
Darüber hinaus sollten Eltern das Schulprofil, Leitbild oder pädagogische Konzept der Schule studieren. Worauf wird besonders Wert gelegt? Wo werden Schwerpunkte gesetzt? Aussagekräftig ist auch das schulische Angebot jenseits des Pflichtunterrichts: Welche Arbeitsgruppen oder Zusatzkurse gibt es, welche Sprachen können freiwillig gelernt werden? Welche musikalischen und künstlerischen Freizeitangebote wie Theatergruppen oder Schulchöre werden angeboten? Gibt es besondere Einrichtungen wie ein Schülercafé oder einen auch außerhalb des Unterrichts nutzbaren Kunst- oder Werkraum?
Am Johann-Schöner-Gymnasium beispielsweise gibt es Förderkurse in kleinen Gruppen für schwächere Schüler und parallel Pluskurse, in denen leistungsstärkere Schüler über den Tellerrand des Stundenplans hinausschauen können. Sie können dann etwa im Apothekergarten der Schule arbeiten, die Wetterstation betreuen oder sich im Flugzeugmodellbau üben.
Bevor es ernst wird, sollten Eltern sich gemeinsam mit ihren Kindern an der Schule umschauen - jenseits von Hospitationen oder Tagen der offenen Tür, um einen Eindruck vom Schulalltag zu erhalten. Wie gehen die Schüler miteinander um, wie die Lehrer mit ihnen? Gibt es Spuren von Vandalismus oder sind die Räume vielmehr liebevoll und individuell gestaltet? Gibt es Rückzugsmöglichkeiten, wo einzelne auch mal in Ruhe arbeiten können? Auch andere Eltern können Auskunft geben, wie es ihrem Kind an der Schule geht, wie der Kontakt zu den Lehrern ist und wie zufrieden sie warum sind.
Und natürlich können Eltern auch Lehrer oder Schulleitung ansprechen und sich über pädagogische Grundsätze aufklären lassen. "Eltern sollten hier ruhig ihrem subjektiven Gefühl und ihrer Beobachtungsfähigkeit vertrauen", sagt Hahn. Und das Kind kann nach einem solchen Besuch auch einschätzen, ob es sich an der neuen Schule wohlfühlen könnte.