Schulschließungen:Die italienische Greta

Lesezeit: 2 min

Anita Iacovelli und ihre Freundin Lisa Rogliatti demonstrieren vor der Italo Calvino Schule im norditalienischen Turin. (Foto: AFP)

In Turin demonstriert eine Zwölfjährige für eine Rückkehr in die Klassen - und viele Schüler tun es ihr nach. Mit Erfolg.

Von Francesca Polistina

Der stille Protest von Anita Iacovelli begann Anfang November, als die italienische Regierung ihre Covid-Maßnahmen verschärfte. Die Zwölfjährige setzte sich wochenlang vor ihre geschlossene Schule in Turin, ihren Arbeitsplatz improvisierte sie mit einem schmalen Klapptisch und einem pinken Stuhl. Sie nahm eine Maske mit, dicke Winterklamotten und natürlich ein Tablet, um am Online-Unterricht teilzunehmen. Ihre Schulkameradin Lisa Rogliatti leistete ihr Gesellschaft, immer mehr Schülerinnen und Schüler anderer Schulen taten es ihnen tagelang gleich.

Anita Iacovelli will zurück in die Klasse. Italienische Medien nennen sie "die Greta Thunberg der Schule", sie selbst sagt: "Ich will nicht berühmt werden. Ich will nur zurück zur Schule". Das wünschen sich auch Tausende Eltern, Lehrkräfte und vor allem Schüler, die in den vergangenen Wochen von Piemont bis Sizilien auf die Straße gegangen sind. Einige trugen Banner wie "Die Schule ist ein sicherer Ort" oder "Ignoranz tötet mehr als Covid", andere stellten ihre Tische auf den größten Platz der Stadt, etwa in Neapel. Denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern, wo nach den Sommerferien etwas Normalität in die Schulen zurückkehrte, sitzen italienische Schüler großteils wieder zu Hause.

Anfang März war es, als die Regierung von Giuseppe Conte im Zuge der ersten Pandemiewelle die komplette Schließung über Schulen und Kitas verhängte - ohne Ausnahmen für Abschlussklassen oder Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen. Mitte September, nach den üblichen dreimonatigen Sommerferien, machten die Schulen endlich wieder. Doch nicht für lange.

Befehl oben: Fernunterricht

In manchen Regionen wie Kampanien mussten die Schulen bereits im Oktober erneut zusperren. Ein Regierungsdekret von Anfang November verordnete dann italienweit Fernunterricht von der 9. Klasse an - und in Regionen, die wegen hoher Inzidenzen als "rot" eingestuft werden, bereits von der 7. Klasse an. Nur die Kleineren dürfen weiterhin in die Klassen, für alle anderen gibt es "Didattica a distanza", Distanzunterricht. Das birgt Probleme. Zwar verfügen Familien mit Kindern meist über Internetzugänge, die Verbindungen sind aber öfter instabil, Laptops oder Tablets werden in vielen Familien geteilt. Zudem arbeiten zahlreiche Eltern wieder oder immer noch im Homeoffice und erleben das gleichzeitige Homeschooling als Überforderung.

Vor diesem Hintergrund warnen Italiens Pädagogen dringlich vor Bildungsungerechtigkeiten in der Pandemie. Die Rufe, die Schulen auch für die höheren Klassen wieder zu öffnen, sind laut geworden - und werden nun auch erhört. Laut Regierungsdekret vom 3. Dezember sollen die Schultore nach den Weihnachtsferien wieder aufgehen. Jedoch nur für einen 75-prozentigen Präsenzbetrieb, sonst wird es in den Schulen zu voll. Für ein Viertel des Unterrichts heißt es dann weiterhin: Didattica a distanza.

© SZ vom 07.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: