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Schulmensen mit gravierenden Defiziten:Essen: mangelhaft

Ungesund, verkocht, unhygienisch: Die Verpflegung in deutschen Schulmensen ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern schlecht. Aber: Auch wenn Mama und Papa den Kochlöffel schwingen, ist nicht alles gut.

Die Verpflegung in deutschen Schulmensen ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern größtenteils schlecht. Ihren Ergebnissen zufolge sind die Mahlzeiten meist ungesund, verkocht und unhygienisch. "Es gibt Defizite, die man zum Teil als gravierend bezeichnen muss", sagte Ernährungswissenschaftler Volker Peinelt von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Bundesweit erfüllten etwa 90 Prozent der überprüften Schulen die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DEG) an gesundes Essen nicht.

Fünf Jahre lang hatten die Wissenschaftler in 200 Schulmensen in die Kochtöpfe geschaut und die Zubereitung überprüft, vor allem im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Als größtes Problem machten sie die lange Warmhaltezeit aus. Das Essen werde extern gekocht, warm angeliefert und in den Schulen bis zu sechs Stunden lang warmgehalten. Viel zu lang, erklärte Peinelt. Die Vitamine gingen dadurch verloren, das Essen sei zerkocht und geschmacklos. Die Schüler äßen deshalb nur noch mit Widerwillen.

Um die Versorgung zu verbessern, fordert Peinelt eine verpflichtende Zertifizierung von Schulen und Zulieferern. Mängel gebe es nämlich besonders bei den Billigzulieferern. Vor allem wegen des zunehmendem Ganztagsunterricht müsse die Qualität des Schulessens gesteigert werden.

Keine Vitamine mehr zu finden

Peinelt plädierte für einen neuen Ansatz. Essen müsse extern "al dente" gekocht, schnell heruntergekühlt und kurz vor der Verwendung mit einem Dampfverfahren erhitzt werden. "Der Geschmack ist wie frisch gekocht, und es ist hygienisch", sagte Peinelt. Auch die Vitamine würden auf diese Weise bewahrt. Zudem sei dieses Verfahren deutlich preiswerter.

Umsetzen könnten das aber nur hochqualifizierte, professionelle Zulieferer. Laut Peinelt sind bundesweit nur etwa 50 Zulieferer zertifiziert. Auch die mangelnde Bereitschaft, Verbesserungen voranzutreiben, könnte dafür ein Grund sein. Bei einem Projekt des Landes NRW hätten sich 100 Schulmensen kostenlos zertifizieren lassen können. Kaum eine Mensa habe das gewollt, sagte Peinelt.

Derzeit versuchen sich einige Schulen anders zu behelfen, hat der Ernährungswissenschaftler festgestellt. Doch die frisch gekochten Mahlzeiten der Eltern, Lehrer und ehrenamtlichen Mitarbeiter seien nicht viel besser als die Kost der Zulieferer, sagte Peinelt. "Das geht in der Regel schief." Grund hierfür seien unter anderem fehlende Kenntnisse über Hygienestandards.

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