Schulleistungsvergleich der Bundesländer:Warum Bayern nicht mehr Bildungsprimus ist

Schulleistungsvergleich der Bundesländer: Abi exklusiv: Zur Reifeprüfung sollen in Bayern nur die Besten der Besten antreten.

Abi exklusiv: Zur Reifeprüfung sollen in Bayern nur die Besten der Besten antreten.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Platz vier ist der beste Rang, den Bayern im Bildungstest des IQB belegt. Spitze in Mathematik und den Naturwissenschaften sind ostdeutsche Schüler. Welche Gründe das hat - und warum ein Bildungsexperte hart mit dem einstigen Spitzenreiter Bayern ins Gericht geht.

Von Johanna Bruckner

In vergangenen Bildungsstudien war Bayern meist spitze. Das bayerische Gymnasium gilt als besonders gut, das hiesige Abitur als besonders anspruchsvoll. Doch im jüngsten Ländervergleich des Instituts zur Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) wird Bayern von den ostdeutschen Bundesländern auf die Plätze verwiesen: Rang vier in Mathematik, Rang sechs in Chemie und Physik und lediglich Rang acht in Biologie. Zwar waren die bayerischen Neuntklässler in dem Leistungstest immer noch besser als der bundesdeutsche Durchschnitt - aber der Nimbus des einstigen Bildungsprimus' ist weg.

Doch warum rangiert Bayern plötzlich nur noch unter "ferner liefen"? Welche Ursachen hat der Leistungsvorsprung ostdeutscher Schüler in Mathe und Naturwissenschaften?

"Bayern hat sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht"

Seit dem "Pisa-Schock" Anfang des neuen Jahrtausends stehen deutsche Schüler auf dem Prüfstand. Regelmäßig testet unter anderem das IQB, wie es um die Bildung von Kindern und Jugendlichen bestellt ist. Und regelmäßig landete Bayern in diesen Tests ganz vorne - zuletzt im vergangenen Jahr, als es um die Grundkompetenzen (Lesen, Textverständnis, Rechnen) von Grundschülern ging. Doch der Erfolg hat den Spitzenreiter träge gemacht: "Bayern hat sich in den letzten Jahren auf seinen Lorbeeren ausgeruht", sagt Manfred Prenzel, Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Bildungsforschung an der TU München.

Überfällige Strukturreformen in der Sekundarstufe wurden nicht entschlossen genug vorangetrieben, der Abschied vom selektiven, dreigliedrigen Schulsystem aus Gymnasium, Real- und Mittelschule (früher Hauptschule) fällt der bayerischen Bildungspolitik schwer. Diese Elitenfokussierung widerspricht jedoch nicht nur dem Anspruch der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland - Bayern verschenkt so auch Potenziale.

Während in östlichen Bundesländern wie Sachsen oder Thüringen etwa 40 Prozent eines Jahrgangs das Gymnasium besuchen, beträgt der Anteil in Bayern nur 30 Prozent. "Und diese 40 Prozent - das zeigt die IQB-Studie - erreichen trotzdem mindestens gleich gute Ergebnisse in Mathematik und in den Naturwissenschaften", so der Bildungsexperte.

"Die bildungspolitische Diskussion in Bayern wurde in den vergangenen Jahren vor allem von G8 versus G9 dominiert - für den Schulalltag und erfolgreiches Lernen war das kontraproduktiv. In vielen neuen Bundesländern ist das achtjährige Abitur dagegen seit Jahren selbstverständlich."

"Ostdeutsche Bundesländer haben sich den Bildungserfolg erarbeitet"

Dass mit Sachsen ein ostdeutsches Bundesland im jüngsten IQB-Test - über alle Fächer hinweg - ganz vorne gelandet ist, überrascht den Experten nicht. "Mathemathik und Naturwissenschaften haben im Osten eine starke Tradition. Die Wertschätzung für diese Fächer ist dort eine andere", sagt Prenzel. Bereits in der DDR habe es eine "durchaus gute Didaktik" in diesem Bereich gegeben. Der Großteil der heute in den neuen Ländern unterrichtenden Mathelehrer ist noch zu DDR-Zeiten ausgebildet worden. "Wir hatten vor allem eine praxisnahe Ausbildung", sagte Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (parteilos), die selbst 13 Jahre als Chemielehrerin in der DDR gearbeitet hat.

Auch der Schulforscher Hans Anand Pant sieht in der pädagogischen Tradition einen entscheidenen Erfolgsfaktor. Heute noch würden an den ostdeutschen Schulen in Mathe und Naturwissenschaften mehr Unterrichtsstunden erteilt als im Westen.

Daneben spielt laut Prenzel auch die Bevölkerungsstruktur in den neuen Bundesländern eine Rolle. So haben ostdeutsche Schulen im Durchschnitt einen niedrigeren Anteil an Kindern mit Zuwanderungshintergrund. Die soziale Herkunft entscheidet in Deutschland wie in kaum einem anderen europäischen Staat über den Bildungserfolg von Kindern.

Das gute Abschneiden von Sachsen & Co. hat aber nicht nur historische und soziale Gründe. "Die ostdeutschen Bundesländer haben sich ihren Bildungserfolg erarbeitet, pragmatisch und konsequent", so Prenzel. Vor dem Hintergrund von demografischem Wandel und Abwanderung habe man die Schulsysteme vereinfacht. So gebe es in den meisten ostdeutschen Bundesländern nur noch zwei Arten von weiterführenden Schulen: Gymnasien und Sekundar- bzw. Mittelschulen.

"Bei der Umsetzung von Sekundarschul-Konzepten haben ostdeutsche Bundesländer Vorbildcharakter - auch für Bayern", so Prenzel.

Mit Material von dpa

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