Nach dem 8-Uhr-Klingeln gehen in der Grundschule Erlenweg nur wenige Kinder in ihre Klassen. "Offener Anfang" heißt das pädagogische Konzept, bei dem die Kinder eine Viertelstunde Zeit haben, bis der Unterricht losgeht. Nur einer liegt schon in der Eulenklasse unter dem Tisch und erwartet die Schüler: Schulhund Alfi. Mit drei Jahren ist er der Jüngste und mit Abstand der Beliebteste in der Klasse 3a.
In der ersten Stunde der Eulenklasse, wie die 3a auch heißt, steht Freiarbeit auf dem Stundenplan. Jeder Schüler soll ruhig an seinem individuellen Wochenplan arbeiten. "Ruhig" ist in einem Raum voller Acht- bis Zehnjähriger ein dehnbarer Begriff. Es wird gelaufen, gekramt und vor allem geredet. "Ihr müsst leiser sein, sonst kann Alfi nicht schlafen", fordert Klassenlehrerin Judith Emonds ihre Schüler auf. "Und wer leise arbeitet, darf Alfi eine Möhre geben."
Der Schulhund ist Dezibel-Messgerät und Belohnung in einem. Und es funktioniert tatsächlich. Die Hinweisschilder "In der Schule gehe ich ruhig" oder "Ich schreie nicht", die überall im Gebäude hängen, sind nicht annähernd so wirkungsvoll wie der hellbraune Beagle-Mops-Mix, der sich auf seiner Decke zusammenrollt. Tatsächlich macht Alfi für ein paar Minuten die Augen zu, wenn er nicht gerade an einem Karottenstück kaut, mit dem ihn die Kinder zwischendurch füttern durften.
Alfi ist als Schulhund seit zweieinhalb Jahren eine feste Größe im Schulalltag an der Grundschule in Köln-Bickendorf. Eine staatlich anerkannte Prüfung gibt es für Schulhunde nicht, gemeinsam mit Lehrerin Emonds hat Alfi aber eine freiwillige Ausbildung in einem privaten Arbeitskreis gemacht. In der Ausbildung ging es neben Gehorsam und Unterordnung des Hundes vor allem darum, die Beziehung zwischen Alfi und seinem Frauchen zu festigen. Im Fall der Fälle müssen sie ohne viele Worte kommunizieren. Emonds muss zudem erkennen, wenn Alfi von seiner Arbeit gestresst ist. Außerdem werden verschiedene Einsatzmöglichkeiten des Hundes im Unterricht - wie Kennenlern- oder Suchspiele - erst einmal mit anderen Hundehaltern trainiert und in pädagogische Konzepte integriert.
Emonds hat Alfi damals speziell nach der Eignung als Schulhund ausgewählt. "Er durfte nicht zu groß und nicht zu klein sein, damit die Hemmschwelle für Kinder so niedrig wie möglich ist", erzählt Emonds. "Außerdem wirken helle Hunde freundlicher. Und natürlich musste er vom Wesen friedlich und sehr belastbar sein."
Alfi hilft beim Mathelernen
Und das ist Alfi auf jeden Fall. Zum Ende der ersten Stunde bildet sich eine lange Schlange an seinem Platz, später in der Pause stehen auch die Kinder aus anderen Klassen "Alfi" rufend in der Tür. Die Kinder der Eulenklasse verscheuchen sie: "Alfi hat Pause." Feste Regeln sind im Alltag mit dem Hund wichtig, und es hat lange gedauert, bis die Kinder sie verinnerlicht hatten. Emonds erinnert sich: "Am Anfang bin ich morgens mit Alfi über den Schulhof gegangen und 20 Kinder hingen über ihm und 30 haben seinen Namen gebrüllt." Mittlerweile wissen aber die meisten Schüler, dass auch Alfi das Recht auf Abstand hat.
In der Mathestunde kommt Alfi dann endlich aktiv zum Einsatz. Er bringt jedem Schüler ein Säckchen mit einer Zahl, die der Schüler dann an die passende Stelle an den Zahlenstrahl bis 1000 legen soll. Auch hier gilt: Nur wer ruhig bleibt, darf den Hund losschicken. Bis alle Kinder dran waren, ist die Unterrichtsstunde vorbei. Geht da für eine "Alfi-Stunde" nicht viel wertvolle Lernzeit verloren? "In den Alfi-Stunden ist das soziale Lernen mindestens genau so wichtig wie der Unterrichtsstoff", erklärt die Klassenlehrerin. "Und das ist bei unseren Schülern, von denen viele einen individuellen Förderbedarf haben, notwendig. Sie lernen, sich zu gedulden bis sie dran sind und den Hund dann mit fester und freundlicher Stimme anzusprechen. Außerdem ist der Alfi eine Motivation für diejenigen, die Angst haben vor der Klasse zu sprechen, oder für die Mathe-Hasser." Leandra aus der Eulenklasse stimmt zu. "Mit Alfi ist es einfach lustiger."