Schulgipfel:Bildungspolitik aus der Kreidezeit

Schule: Klasse eines Gymnasiums in Marktoberdorf während der Corona-Pandemie

Unterricht wie vor 30 Jahren: Eine zwölfte Klasse in Bayern zu Corona-Zeiten

(Foto: imago images/Action Pictures)

Die Ergebnisse des Treffens der Kultusminister mit der Kanzlerin erinnern an Floskeln aus einem vier Jahre alten Strategiepapier. Das ist zu wenig.

Kommentar von Boris Herrmann

Die Politik hat die "Herausforderungen des digitalen Wandels in der Bildung" messerscharf erkannt und ein "Handlungskonzept" vorgelegt. Bis 2021 soll möglichst jede Schülerin und jeder Schüler in Deutschland "einen Zugang zum Internet" sowie "eine digitale Lernumgebung" - man könnte auch Laptop sagen - nutzen können. Die Lehrkräfte werden schnell und strategisch fortgebildet, um "die Potenziale digitaler Medien" im Unterricht nutzen zu können. Das alles steht in einem Strategiepapier der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2016.

Am Montagabend, 21. September 2020, fand nun ein Bildungsgipfel im Kanzleramt statt und danach drängt sich ein bisschen der Eindruck auf, als hätten die Gesprächsteilnehmer das Papier von damals noch einmal hervorgeholt und gesagt: Jetzt gehen wir das aber wirklich mal an!

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Kanzlerin Angela Merkel dieses Thema nun endlich zur Chefsache macht. Drei Stunden saß sie mit Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU), der SPD-Ko-Chefin Saskia Esken sowie den Kultusministern der Länder zusammen. Für Bund-Länder-Verhandlungen soll es ein "sehr harmonischer Abend" gewesen sein. Prima, geht doch. Aber was am Ende dabei herauskam, ist fast schon wieder spektakulär unspektakulär.

Konkrete Beschlüsse jenseits des bereits Beschlossenen wurden so gut wie keine gefasst. Stattdessen sind sieben "Handlungsstränge identifiziert worden". Laut Esken gibt es nun eine "klare Vereinbarung, die Bemühungen der Länder untereinander zu vernetzen". Geplant ist auch ein Expertengespräch zum Thema "Lüften" sowie ein weiteres Treffen in diesem Format Anfang 2021. Gegen keinen dieser Punkte ist etwas einzuwenden. Aber vier Jahre nach dem Strategiepapier und sechs Monate nach den pandemiebedingten Schulschließungen befinden sich Bund und Länder damit immer noch in der Phase der Absichtserklärungen. Das ist gemessen an der Dringlichkeit des Problems zu wenig.

Sicher, die bereits bei einem ähnlichen Treffen im August vereinbarten 500 Millionen Euro des Bundes, um alle 800 000 Lehrer im Land mit Dienstlaptops auszustatten, sollen nun schneller als bisher geplant bereitgestellt werden. Es wurde auch die Absicht bekräftigt, die technische Betreuung von IT-Administratoren mit weiteren 500 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zu fördern. Ferner soll die Daten-Flatrate für Schüler über zehn Euro pro Monat jetzt zügig auf den Weg gebracht werden. Es gibt aber immer noch keinen klaren Zeitstrahl, wann die Lehrkräfte und Schüler welche Geräte tatsächlich in ihren Händen halten sollen.

Wenn Anja Karliczek am Morgen nach diesem Gipfel schwärmt, ein Programm wie dieses habe es "in der Geschichte der Bildungsrepublik" noch nicht gegeben, dann spricht das weniger für diesen Gipfel als gegen diese Bildungsrepublik. Karliczek sagte auch: "Schule findet eben nicht unter einer Käseglocke statt." Wer aber im September 2020 beispielsweise in Berlin ein Klassenzimmer betritt, der kann sich da gar nicht so sicher sein. Unter diesen Käseglocken geht es oft noch zu wie in der Kreidezeit.

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