Schulessen:Einmal gesund und billig, bitte!

Coaching Schulspeisung, Schulmensa Gym Grafing.

Frisches Obst gehört auf einen ausgewogenen Speiseplan in der Schule.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schüler sollen in der Schule ausgewogen essen. Aber ist das bei den niedrigen Preisen auch möglich? Eine neue Studie macht Hoffnung.

Von Markus Balser und Kristiana Ludwig

Aufgeweichte Nudeln, Fleisch unter brauner Soße: In mancher Schulmensa sieht das Essen mäßig appetitlich aus. Was Caterer servieren, verfehlt oft aber nicht nur den Geschmack der Kinder. Auch Ernährungsforscher hätten andere Ideen, was auf den Teller kommen sollte. Und so stehen die Speisepläne inzwischen in Elternversammlungen, kommunalen Parlamenten und bei Fachkonferenzen ganz oben auf der Tagesordnung.

Am Dienstag erreichte das Thema auch die Bundesregierung. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte Experten zum Bundeskongress Schulverpflegung nach Berlin eingeladen. Mehr Gemüse und Obst - ein gesünderes Angebot sei machbar, wenn man nur wolle, sagte Ministerin Julia Klöckner (CDU). Eine neue Studie belege, "dass gesundes Essen eben nicht teurer sein muss". Ein Mittagessen im Einklang mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) koste im Vergleich zum Durchschnitt nur vier Cent mehr. Weder Eltern noch Kommunen müssten dann zwangsläufig mehr bezahlen. Es gebe diverse Einsparmöglichkeiten, etwa bei den Energiekosten. So könnten Schulen in Sachen Ernährung wichtige Standards setzen.

Schließlich gewinnt das Schulessen in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Vor allem der ungebrochene Trend zur Ganztagsschule führt dazu, dass Schulen mehr und mehr Mensen einrichten. Bundesweit haben nach Angaben der Kultusministerkonferenz drei Millionen Kinder täglich Anspruch auf ein Mittagessen - rund 42,5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler im Primarbereich und der Sekundarstufe I gehen ganztags zur Schule. Als 2002 der Anteil erstmals amtlich gezählt wurde, lag er bei nur 9,8 Prozent. Und mit dem Versprechen der großen Koalition, einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule zu schaffen, dürfte der Bedarf weiter steigen.

Was dabei auf den Teller kommen sollte, ist eigentlich längst klar. Die DGE hat Standards für ein gutes Essen aufgestellt. Täglich müssen demnach Gemüse und Salat sowie Getreide und Getreideprodukte im Angebot sein, mehrmals pro Woche zudem Obst, Milch und Milchprodukte. Höchstens zweimal pro Woche sollten Kinder Fleisch oder Wurst essen, mindestens einmal in der Woche Fisch. Bei Getränken gelten ungesüßte Tees und Wasser als beste Wahl.

Doch in der Praxis sieht das oft anders aus. Um die Qualität des Schulessens in Berlin zu überprüfen, richtete der Senat eine landesfinanzierte Qualitätskontrollstelle ein. Und die förderte in ihrem jüngsten Bericht erstaunliche Defizite zutage. Bei Vollkornprodukten erreichte kein einziger der getesteten Lieferanten die DGE-Vorgaben, die eigentlich Teil der Ausschreibung waren. Dabei könnten schon 25 Gramm pro Tag die Gefahr reduzieren, dass Kinder später an Herzerkrankungen oder Diabetes litten.

Zudem werde es den Kindern leicht gemacht, Menüs ohne Gemüsebeilagen zu wählen. Auch Milchprodukte waren demnach viel zu selten im Angebot. Keines der untersuchten Catering-Unternehmen halte die vertraglich vereinbarten Pflichten und gesetzlichen Vorgaben in vollem Umfang ein, notierten die perplexen Prüfer.

Eine bundesweite Studie zur Schulverpflegung, die der ehemalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Auftrag gab, kam im Jahr 2016 zu ähnlich ernüchternden Ergebnissen: Zwar kannten mehr als 50 Prozent der befragten Schulleitungen die Ernährungsstandards der DGE, doch nicht einmal die Hälfte dieser Schulen setzte sie um. Überhaupt wurde die Qualität des Essens nach Angaben der Schulträger nur selten kontrolliert.

Zugleich berichten Insider auch von enormem Kostendruck. Denn das Schulessen soll die Eltern in der Regel nicht mehr als 3,50 Euro pro Tag und Kind kosten. Viele Kommunen zahlen bereits drauf, um etwas mehr zu ermöglichen. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums summiert sich die Förderung bundesweit jährlich auf 1,2 Milliarden Euro. Bei der Vergabe durch Kommunen gehe es dennoch bislang oft vor allem um den Preis und nur in zweiter Linie um die Qualität des Essens, sagt Sabine Trinklein-Reibrich, die in Nürnberg mit der Catering-Firma Suppenlöffel Bio-Essen für Kinder anbietet.

Dabei ist der Handlungsdruck groß. Jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft fordert deshalb seit Jahren verbindliche Qualitätsstandards in Schulen. Doch beim Essen gilt wie auch in anderen Angelegenheiten der Schulen der Föderalismus. Und so kann das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule, das Klöckners Vorgänger 2016 gegründet hat, zwar ein "Ansprechpartner und Partner" für Länder und Kommunen sein, wie es in dessen Selbstdarstellung heißt. Doch feste Regeln zur Verpflegung kann es nicht erlassen. Klöckner will den Etat des Qualitätszentrums trotzdem von 2019 an auf zwei Millionen Euro verdoppeln, damit es Kommunen und Schulen berät.

Für die Leipziger Professorin Antje Körner, Expertin für Adipositas bei Kindern, ist das Schulessen zwar wichtig, aber längst nicht allein ausschlaggebend, ob ein Mensch übergewichtig wird. Sie hat festgestellt, dass bei vielen Kindern der Grundstein für Adipositas früher gelegt wird, noch bevor sie in die Schule kommen. Das Kleinkindalter von zwei bis sechs Jahren sei die kritische Zeit des Gewichtsanstiegs, zeigten ihre statistischen Analysen: Übergewichtige Jugendliche hatten demnach am stärksten vor ihrer Einschulung zugenommen.

Zu den wichtigsten Ursachen von Übergewicht gehört - neben dem Gewicht der eigenen Eltern - ein niedriger sozialer Status der Familie. Studien zeigen immer wieder, dass es auch von der Bildung und dem Einkommen der Eltern abhängt, ob Kinder früh unter Karies oder Adipositas leiden. "Mit dem Ausbau von Ganztagsschulen und Kindertagesstätten müssen verstärkt gesundheitsfördernde Konzepte umgesetzt werden", empfiehlt deshalb ebenfalls das Robert-Koch-Institut. Dazu gehörten etwa täglich gesunde Mahlzeiten, aber auch ausreichende Räumlichkeiten und Zeit für Bewegung.

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