Schulen - Düsseldorf:Pensionäre, Seiteneinsteiger, Zuschläge: NRW lockt Lehrer

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Düsseldorf (dpa/lnw) - Unterrichtende Pensionäre, Seiteneinsteiger und weitere Sonderprogramme haben nach Angaben des Schulministeriums in Nordrhein-Westfalen 5362 zusätzliche Einstellungen seit 2017 ermöglicht. Allein die Zahl der Lehrkräfte, die ihren Ruhestand verschoben haben oder schon als Pensionäre ans Lehrerpult zurückgekehrt sind, hat sich demnach von 2016 bis 2020 auf 1014 Beschäftigungen mehr als verdoppelt. Zudem seien fast 1000 Seiteneinsteiger für die Grundschulen gewonnen worden - darunter 219 speziell für Englisch an Grundschulen.

"Wir werden weiterhin pragmatische und unkonventionelle Wege gehen, um unsere Schule zu unterstützen", sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. "Auch nach der Pandemie werden wir die Anstrengungen gegen den Lehrermangel entschieden weiterführen."

Die Bildungsgewerkschaften und die oppositionellen Grünen sind nicht überzeugt. "Die Notmaßnahmen reichen nicht", kritisierte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ayla Çelik. "Viel zu viele Stellen bleiben jedes Jahr weiterhin unbesetzt." Tausende Lehrkräfte würden immer noch verfassungswidrig bezahlt. "Das Versprechen, das zu korrigieren, wurde nicht eingehalten."

Auch der Lehrerverband Bildung und Erziehung fragte: "Wann werden die vollmundigen Ankündigungen der Landesregierung, die Ungerechtigkeiten in der Lehrkräftebezahlung zu beseitigen, endlich umgesetzt?" Am meisten benötigten die Schulen grundständig ausgebildete Lehrkräfte, unterstrich der Landesvorsitzende Stefan Behlau. So sehen es auch die Grünen.

Bislang hat die Landesregierung vier Maßnahmenpakete aufgelegt, um die Versorgung zu verbessern. Dazu zählt die seit Mai 2020 bestehende Möglichkeit, Lehrern auf schwer zu besetzenden Stellen einen Gehaltszuschlag zu gewähren. Bisher konnten nach Angaben des Ministeriums 137 Lehrkräfte mit einem Bonus von 350 Euro brutto im Monat gewonnen werden. Der Sonderzuschlag wird für zweieinhalb Jahre gewährt. Das Programm soll vor allem eine Entscheidung zugunsten der unattraktiveren Schulstandorte, Brennpunktschulen und Mangelfächer beflügeln.

"Sonderprämien bei Neubesetzungen, gerade an Schulen in herausfordernden sozialen Lagen, verhöhnen die Lehrkräfte, die seit Jahren dort engagiert unterrichten", kritisierte die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Sigrid Beer. Stattdessen sollte die Arbeit dort mit kleineren Lerngruppen und geringeren Unterrichtsverpflichtungen attraktiver gemacht werden, schlug sie vor.

Personalengpässe will das Schulministerium auch beseitigen durch mehr Flexibilität beim schulform- und laufbahnübergreifenden Einsatz: Den Angaben zufolge haben bereits über 1000 eigentlich für die Sekundarstufe II ausgebildete Lehrkräfte das Angebot angenommen, zunächst in der Grundschule oder Sekundarstufe I zu arbeiten - mit der Garantie, anschließend eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle antreten zu können.

Mit über 4000 unbesetzten Stellen sei die Problematik aber gerade dort überproportional hoch und werde durch diese Programme auch nicht systematisch gelöst, stellte Beer fest. "Denn dazu würde gehören, dass die Besoldung A 13 überall gewährt wird."

Gebauer unterstrich hingegen: "Die Landesregierung dreht jeden Stein um, um die Versorgung der Schulen mit gut ausgebildeten Lehrkräften zu verbessern." Das habe die rot-grüne Vorgängerregierung versäumt. Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP gibt "eine 105-prozentige Lehrerversorgung" als mittelfristiges Ziel vor.

Allein die Möglichkeit, Lehrkräfte mit einem allgemeinen Lehramt im Gemeinsamen Lernen in der Sekundarstufe I zu beschäftigen, hat laut Ministerium zu über 1300 Einstellungen geführt. Zudem seien den Bezirksregierungen im vergangenen Schuljahr insgesamt 800 und zum kommenden Schuljahr weitere 650 Stellen zugewiesen worden - im Vorgriff auf den prognostizierten Mehrbedarf an Gymnasien zum Schuljahr 2026/27. Bis dahin könnten sie anderen Schulformen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden.

Zusätzlichen Unterricht habe abgesehen davon auch die zum Schuljahr 2020/21 geschaffene Möglichkeit für Lehramtsanwärter gebracht, über ihren Ausbildungsunterricht hinaus freiwillig bis zu sechs Wochenstunden zusätzlich zu erteilen - mit Vergütung der Mehrarbeit. "Zum Stichtag 30. Juni erteilten landesweit 545 Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter zusätzlichen Unterricht", teilte das Ministerium mit.

Laut Modellrechnungen der Kultusministerkonferenz bis 2030 werden viele Schulen in Deutschland in den nächsten Jahren weiter mit Lehrermangel zu kämpfen haben. Besonders angespannt bleibt die Lage demnach vor allem in der Sekundarstufe I. Gebraucht werden der Prognose zufolge vor allem Mathe-, Chemie-, Physik- und Musiklehrer. Ein Überangebot gibt es hingegen für die Gymnasien.

© dpa-infocom, dpa:210812-99-811791/5

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: