Pensionisten im Klassenzimmer:Zurück ans Pult

Lehrer-Warnstreiks in Sachsen

So würde es an vielen Schulen vermutlich aussehen, wenn nicht Pensionisten den Unterricht geben würden.

(Foto: dpa)

Bundesweit herrscht Lehrermangel, viele Länder bitten Pensionisten zurück in die Klassenzimmer. Drei von ihnen erzählen, warum sie der Bitte gefolgt sind.

Von Matthias Kohlmaier

Deutschlandweite fehlen Tausende Lehrkräfte. Um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen, müssen die Länder kreativ werden: Bayern etwa verweigert Lehrern die Frühpensionierung, Berlin zahlt Lohnzuschläge, wenn Lehrkräfte länger im Dienst bleiben. Fast in jedem Bundesland werden mittlerweile Pensionisten zurück in die Klassenzimmer gebeten - und viele folgen der Bitte.

Hier erzählen drei Lehrer, wie es ihnen an den Schulen geht. Um offener sprechen zu können, wollten sie nicht mit vollem Namen erscheinen.

Susanne L., 66, Nordrhein-Westfalen

"Geplant hatte ich das so nicht. Ich kann mich noch gut an ein Gespräch mit meinem Mann vor ungefähr fünf Jahren erinnern. Er stand kurz vor der Rente, bei mir war die Pensionierung auch schon absehbar. Wir haben viele Pläne gemacht, auch die klischeehafte Weltreise war dabei. Die muss jetzt noch ein wenig warten.

Ich leite seit 20 Jahren eine Grundschule in einem etwas abgelegenen Ort in Nordrhein-Westfalen. Und leider war schon früh klar: Es wird sehr schwierig, die Stelle nachzubesetzen, wenn ich einmal in den Ruhestand gehe. Zwar ist gerade an den Grundschulen - nicht nur in NRW, sondern in ganz Deutschland - der Lehrermangel besonders groß. Trotzdem habe ich lange nicht daran geglaubt, dass sich wirklich gar niemand finden würde. So kam es aber.

Natürlich hätte ich dennoch in Pension gehen können, das steht mir nach rund 40 Dienstjahren schließlich zu. Aber ich konnte doch meine Schule, die Kolleginnen und Kollegen und besonders die Kinder nicht einfach alleine lassen. Also haben wir uns mit den entsprechenden Stellen in Verbindung gesetzt, bis hoch zum Schulministerium. Nun werde ich bis mindestens zum Ende des laufenden Schuljahres weiterarbeiten. Aber Lehrermangel und Liebe zum Beruf hin oder her: Wenn mein Mann nicht zugestimmt hätte, wäre ich nicht geblieben."

Stefan M., 67, Hessen

"Manchmal denke ich mir: 'Das ist doch Blödsinn, was du hier machst. Du hilfst doch nur dabei, ein eigentlich defektes System am Laufen zu halten.' Aber wir Lehrer - na gut, vielleicht nicht alle, aber doch eine Menge - sind eben so: Das Helfersyndrom lässt sich nicht einfach so abschalten. Und obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass es unsere Landesregierung über viele Jahre sträflich versäumt hat, gerade für die Grund- und Förderschulen genügend Lehrernachwuchs zu rekrutieren, will ich nicht derjenige sein, der wegen der Fehler von Politikern seine Schüler sitzenlässt.

"Ich habe nicht lange überlegt"

Vielleicht ist das bei einem Förderschullehrer noch mal etwas ausgeprägter - der Wunsch, zu helfen, meine ich. Als ich jedenfalls etwa ein Jahr vor meinem eigentlichen Pensionseintritt ein Schreiben vom Ministerium bekommen habe, ob ich nicht etwas länger im Dienst bleiben wollte, habe ich nicht lange überlegt.

Denn im Endeffekt geht es um die Schüler und darum, jedem von ihnen den bestmöglichen Unterricht anzubieten. Bevor das, besonders an einer Förderschule mit ihren speziellen Herausforderungen, ein Quereinsteiger tut oder sich verbliebene Kollegen noch mehr als ohnehin schon kaputtarbeiten müssen, mache ich lieber selbst noch ein paar Jahre weiter. Eine Lösung für den Mangel an Lehrkräften ist leider nicht in Sicht."

Hannes S., 69, Berlin

"Ideal ist es bestimmt nicht, dass im Moment an vielen Schulen Quereinsteiger, Studenten und Pensionäre aushelfen müssen, damit der Unterricht noch planmäßig stattfinden kann. Aber solche Phasen gibt es nun mal, gerade im Lehramt wechseln sich doch seit Jahrzehnten Mangel und Überangebot an studierten Fachkräften ab.

Ich hoffe einfach, dass die Politik daraus irgendwann einmal die richtigen Schlüsse zieht und mehr Geld in die Hand nimmt, um den Lehrberuf an allen Schularten attraktiver zu machen. Hier in Berlin passiert zumindest das mit dem Geld für uns ältere Lehrer ja schon: Wer wie ich über die Pensionsgrenze hinaus unterrichtet, soll 20 Prozent Lohnzuschläge bekommen und später auch eine erhöhte Pension. Wobei der Senat das natürlich nur anbietet, weil er gar keine andere Möglichkeit mehr hat, genug Leute an die Schulen zu bekommen.

Aber für mich ist das Geld nur eine nette Begleiterscheinung. Ich unterrichte einfach gern und finde es schön, weiterhin Kontakt mit jungen Leuten zu haben. Der fällt ansonsten in meinem Alter ja gewöhnlich weg."

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