Schule:Wie gelingt der Schulwechsel in ein anderes Bundesland?

Klassenkampf

Der Weg zum Abitur kann in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich aussehen.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

In verschiedenen Bundesländern ist Gymnasium nicht gleich Gymnasium - das kann Schülern und Eltern berechtigte Sorgen bereiten.

Die Leserfrage

Unser Sohn besucht die 10. Klasse eines Gymnasiums, die hier in NRW bereits Teil der Oberstufe ist. Daher konnte er zu Beginn der Jahrgangsstufe einige Fächer abwählen. Nun müssen wir aus beruflichen Gründen nach Baden-Württemberg ziehen - dort beginnt die Oberstufe erst in der 11. Jahrgangsstufe. Der Umzug zum Halbjahr würde also bedeuten, dass unser Sohn wieder den vollen Fächerkanon hat, dann mit entsprechenden Lücken, weil er die abgewählten Fächer bereits seit einem halben Jahr nicht mehr hatte.

Aus diesem Grund haben wir überlegt, ihn in die Klasse 9 zurückzustufen. Nun machen wir uns aber Sorgen, dass er ohne Abschluss die Schule verlassen müsste, sollte er sitzenbleiben und das freiwillige Zurückstufen auch als Wiederholen zählen.

Die Antwort

Was Sie gerade trifft, trägt den Namen Bildungsföderalismus. Bildung ist in Deutschland nach wie vor Ländersache, jedes Bundesland kann in den Schulen und Universitäten weitgehend unabhängig vom Bundesbildungsministerium schalten und walten. Deshalb nutzen Politiker auf Landesebende das Thema Bildung auch immer gern, um sich zu profilieren. In Baden-Württemberg (BW) stehen im März Landtagswahlen an. Regierung und Opposition streiten gerade zum Beispiel sehr wortreich über die Wertigkeit von Gymnasien und Gemeinschaftsschulen.

Der Bildungsföderalismus ist es auch, der Ihnen beim anstehenden Umzug Ärger macht. So viel vorweg: Ihre Sorge um die weitere Schullaufbahn Ihres Sohnes ist durchaus berechtigt. Denn zwar setzen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen (NRW) wie in BW großteils auf das G 8. Der Weg zum Abi unterscheidet sich allerdings mit Blick auf die Oberstufe ein wenig, wie Sie ja bereits feststellen mussten.

In NRW umfasst die Oberstufe die Klassen 10 bis 12 (einjährige Einführungs­phase plus zweijährige Quali­fikationsphase), in BW dagegen beginnt die Oberstufe (die dort eigentlich Kursstufe heißt) erst in Klasse 11. Da Ihr Sohn bei einem Übertritt in die 10. Klasse in BW plötzlich längst abgewählte Fächer wieder belegen müsste, kann der freiwillige Rücktritt in die 9. Klasse eine gute Entscheidung sein. Nicht nur ließen sich so eventuelle Wissenlücken schließen, Ihr Sohn könnte sich auch etwas entspannter an das neue Umfeld gewöhnen - ein Faktor, den Sie nicht unterschätzen sollten.

Jedoch, und auch hier schlägt der Bildungsföderalismus zu, gilt das freiwillige Zurücktreten um eine Jahrgangsstufe in BW tatsächlich als Durchfallen. Heißt: Tritt Ihr Sohn freiwillig zurück, gilt er für die Schule als Wiederholer. Die daraus resultierende Gefahr beschreibt das zuständige Kultusministerium auf Anfrage so: "Würde der Schüler bei einer freiwilligen Wiederholung erneut nicht versetzt, müsste er grundsätzlich das Gymnasium verlassen."

Wie eine Schulleiterin den Fall beurteilt

Das klingt nun erst einmal beängstigend. Tritt der beschriebene Fall aber wirklich ein, gäbe es laut Ministeium zum Beispiel die Option, "einen Schüler, der die Versetzungsanforderungen nicht erfüllt, ausnahmsweise mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Klassenkonferenz dennoch zu versetzen, wenn sie zu der Auffassung gelangt, dass der Schüler nach einer Übergangszeit den Anforderungen der nächsthöheren Klasse gewachsen sein wird".

Auch eine langjährige Schulleiterin eines Gymnasiums in BW sagt, dass ihr ein Fall, bei dem ein freiwilliger Rücktritt im Endeffekt zum Scheitern der Schullaufbahn geführt habe, noch nie untergekommen sei. "Meist sind das ja Schüler, die mit dem Stoff Schwierigkeiten haben. Da helfen wir als Schule, so gut wir können, und setzen frühzeitig Sicherheitsmechanismen in Gang." Das seien etwa Gespräche mit dem betroffenen Schüler und dessen Eltern und eine Sensibilisierung der Lehrkräfte für die kritische Situation.

"Durchgewinkt" solle natürlich niemand werden, sagt die Rektorin. Aber wenn erkennbar sei, dass der Schüler auf einem einigermaßen guten Weg sei, fände sich immer eine gute Lösung für alle Beteiligten. "Die politisch Verantwortlichen müssen hier natürlich etwas rigider klingen. Aber auf Schulebene handeln wir im Sinne des Kindes. Und da kann ein Schulverweis wegen wiederholten Durchfallens wirklich nur sehr selten ein gebotenes Mittel sein."

Für Ihre Situation kann also die freiwillige Rückstufung in die 9. Klasse trotz eines theoretischen Risikos weiterhin als richtiger Schritt angesehen werden. Machen Sie Ihrem Sohn dennoch die Wichtigkeit dieses Halbjahres bewusst, ohne ihn allzu sehr unter Druck zu setzen. Eine frühzeitige Kommunikation mit seinen neuen Lehrern und dem Schulleiter wäre ebenso wichtig wie punktuelle Nachhilfe, falls sie denn notwendig werden sollte und Sie es sich finanziell leisten können. Ansonsten sollte sich Ihr Sohn, auch im Sinne der Integration in die neue Klassengemeinschaft, nach Lernpartnern- oder gruppen umsehen.

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