Der Bundesgerichtshof hat die Erste-Hilfe-Pflicht für Lehrkräfte im Sportunterricht betont. Sportlehrern obliege die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Schülerinnen und Schülern rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen.
Der BGH hat damit ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aufgehoben. Es muss nun einen tragischen Fall aus Wiesbaden erneut verhandeln. Dort war vor sechs Jahren ein angehender Abiturient im Sportunterricht bewusstlos zusammengesackt. Die Lehrer leisteten Erste Hilfe, führten aber keine Reanimationsversuche durch. So blieb der Schüler acht Minuten ohne Sauerstoffzufuhr. Bei dem Vorfall erlitt er bleibende Hirnschäden.
Die Familie des heute 24-Jährigen gibt den Lehrern eine Mitschuld an seiner Schwerbehinderung. Sie wollen Schadenersatz und argumentieren, mit einer Atemkontrolle und anschließender Herzdruckmassage und Atemspende durch die Lehrkräfte hätte dem Schüler rechtzeitig geholfen werden können. Die Vorinstanzen hatten allerdings entschieden, dass nicht nachweisbar sei, ob die Sportlehrerin und ein herbeigeholter Lehrer Schäden hätten vermindern oder vermeiden können und die Klage damit abgewiesen. Der Antrag des Klägers, einen Sachverständigen einzuholen, wurde abgelehnt. Dafür fehle es an "Anknüpfungstatsachen". Das hat der BGH beanstandet.
Lehrer müssen auf Notfälle besser vorbereitet sein
Das Gericht stellte zudem fest, dass von Sportlehrern bessere Kenntnisse der Ersten Hilfe zu erwarten seien als von einer Privatperson, die an einem Unfallort eintrifft und spontan entscheiden muss, wie sie sich verhält. Für diese gilt: Sie haftet nur bei grober Fahrlässigkeit. Lehrer müssten aber qua Amt Gesundheitsschäden von Schülern abwehren. "Zur Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern aber auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen", heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Es wäre nicht angemessen, wenn der Staat einerseits Schüler zur Teilnahme am Sportunterricht verpflichtet, andererseits bei Notfällen im Sportunterricht nur im Falle grober Fahrlässigkeit der Lehrer hafte.
Ob die beiden Lehrer ihre Amtspflicht verletzt haben, steht also noch nicht fest. Der Bundesgerichtshof hält das für möglich - das ist ein Teilerfolg für den Kläger. Der Schüler fordert Schmerzensgeld, die Erstattung materieller Schäden, eine monatliche Mehrbedarfsrente sowie die Feststellung, dass das Land Hessen auch für künftige Kosten aufkommen soll. Bei verbeamteten Lehrern haftet der Staat. Sie selbst können nur in Regress genommen werden, wenn sie grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben.