Seit 2001 zittern deutsche Bildungspolitiker immer ein wenig vor neuen Ergebnissen der Pisa-Studie - die Leistungen der deutschen Schüler hatten sich damals als unterdurchschnittlich erwiesen. Zuletzt zeigte eine Auswertung aktueller Daten, dass Deutschlands Schüler gut darin sind, Aufgaben im Team zu lösen. Und nun hat die für die Bildungsstudie verantwortliche OECD schon wieder gute Nachrichten: Eine neue Publikation zeigt, dass sozial benachteiligte Schüler in Deutschland immer besser im Unterricht zurechtkommen.
Der Anteil von 15-Jährigen aus bildungsfernen Elternhäusern mit soliden Kompetenzen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften stieg von einem Viertel (25 Prozent) im Jahr 2006 auf ein Drittel (32,3 Prozent). Die OECD spricht in diesem Zusammenhang von Resilienz. Das bezeichnet die Fähigkeit, trotz schlechter Startbedingungen Krisen zu bewältigen und sich positiv zu entwickeln. Deutschland liegt nicht nur über dem OECD-Durchschnitt. Der Anteil resilienter Schüler hat sich seit der Pisa-Studie 2006 auch so stark erhöht wie in kaum einem anderen Teilnehmerland.
Die Studie und ihre wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
Welche Schüler sind sozial benachteiligt?
Im Rahmen der Pisa-Studie haben teilnehmende Schüler einen Fragebogen zu ihrer Herkunft ausgefüllt. Dort werden zum Beispiel Beruf und Bildungsstand der Eltern, aber auch die Anzahl der zu Hause verfügbaren Bücher abgefragt. Aus diesen Angaben berechnen die Forscher einen Index. Schüler die laut diesem in ihrem Land zum unteren Viertel gehören, gelten als sozial benachteiligt. Wer in diese Kategorie fällt, hängt also auch von der allgemeinen Lebenssituation im jeweiligen Land ab.
Welche Faktoren haben Einfluss auf die Leistungen sozial benachteiligter Schüler?
Die Forscher haben hier einen Blick auf Geschlecht, sozioökonomischen Status und die zu Hause gesprochene Sprache geworfen. Ihre Erkenntnisse:
- Sozial benachteiligte Mädchen haben eine etwas geringere Chance als Jungen, trotz ihrer schlechten Startbedinungen gute Leistungen in der Schule zu erzielen.
- Je größer die soziale Benachteiligung, desto geringer die Wahrscheinlichkeit von Bildungserfolg.
- Im OECD-Durchschnitt halbiert sich die Chance auf Resilienz, wenn zu Hause nicht die Unterrichtssprache gesprochen wird.
Wie können Schulen und Lehrkräfte sozial benachteiligte Schüler unterstützen?
Viele Studienergebnisse sind hier erwartbar: Benachteiligte profitieren demnach von gemeinsamem Unterricht mit bessergestellten Schülern. Ein positives Schulklima wirkt sich entsprechend aus, Ganztagsangebote helfen insbesondere sozial benachteiligten Kindern.
Überraschender ist dagegen, dass laut Studie "weder kleinere Klassengrößen noch eine bessere Ausstattung mit Computern mit besseren Leistungen bei sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern einhergeht". Das spreche aber nicht gegen Investitionen ins Bildungswesen, fügen die Autoren hinzu. Diese müssten aber sicherstellen, dass Lernprozesse effektiv verbessert würden. Viel Technik im Klassenzimmer hilft also nicht automatisch viel. Sie muss auch pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden.
Wichtig aus deutscher Sicht: Hierzulande gibt es einen stark ausgeprägten Zusammenhang zwischen einem größeren Angebot an schulischen Aktivitäten jenseits des Unterrichts und dem Anteil resilienter Schüler. Eine Theater-AG zum Beispiel kann offenbar eine Menge dabei bewirken, benachteiligte Schüler zu motivieren.
Bringt die Erhebung für Deutschland nur gute Nachrichten?
Nein. Zwar hat es das deutsche Bildungssystem, vertreten durch viele engagierte Lehrkräfte, geschafft, dass mehr Schüler mit eher schlechten Voraussetzungen bessere Leistungen erzielen. Bei der Chancengerechtigkeit liegt Deutschland aber weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt. Das bedeutet: Die Unterschiede zwischen Kindern aus bessergestellten und benachteiligten Familien sind weiterhin groß und der statistische Zusammenhang zwischen Leistung und sozialer Herkunft noch immer sehr ausgeprägt.