Lehrermangel:IN NRW sind mehr als 900 Stellen an Grundschulen unbesetzt

Doch unbesetzte Stellen sind nicht das einzige Kriterium für Lehrermangel. Das zeigt sich insbesondere in Berlin und Sachsen. Beide Länder konnten alle ausgeschriebenen Posten besetzen. Aber um welchen Preis? In Berlin sind 41 Prozent der 3000 neu eingestellten Lehrer Seiteneinsteiger, also Bewerber, die über ein Studium, aber keine pädagogische Ausbildung verfügen. In Sachsen ist es sogar mehr als die Hälfte (siehe nebenstehenden Text). Bei fast zehn Prozent liegt ihr Anteil in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen, doch es dürften deutlich mehr werden. Um noch möglichst viele der mehr als 2000 offenen Stellen zu besetzen, will die Regierung in Düsseldorf auf Referendare setzen, die von November an zur Verfügung stehen - und verstärkt auf Seiteneinsteiger.

Die Zahlen zeigen zudem, dass der Lehrermangel die einzelnen Schularten unterschiedlich trifft. Gymnasien haben kaum mit dem Problem zu kämpfen - tatsächlich herrscht in vielen Bundesländern sogar ein Überangebot an Gymnasiallehrern, vor allem in den Geisteswissenschaften. Hauptleidtragende dagegen sind die Grundschulen. Beispiel Sachsen: Sieben Prozent der Gymnasiallehrer sind Seiteneinsteiger, an Grundschulen dagegen sind es zwei von drei. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Zwölf der insgesamt 543 Seiteneinsteiger sind an den Gymnasien untergekommen, mehr als zehn Mal so viele an den Grundschulen. Deutlich ist die Differenz auch bei den unbesetzten Stellen. 926, und damit fast die Hälfte der insgesamt 2139 Vakanzen, verzeichnen in NRW allein die Grundschulen.

Stark betroffen sind neben den Grundschulen auch Förder- oder Gesamtschulen. Ihnen drohe eine "Abwärtsspirale", warnt die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Durch den Lehrermangel entstünden zusätzliche Belastungen, das schrecke angehende Lehrkräfte davon ab, sich für Grund- oder Förderschulen zu entscheiden, sagt Tepe. So verstärke sich der Lehrermangel selbst.

Tepe spricht von einer "Fehlsteuerung". Während viele Gymnasiallehrer zum Beispiel in Bayern nicht sofort eine Stelle bekommen, finden viele Grund- und Förderschulen in Deutschland nicht genügend Lehrer, vor allem auf dem Land. Die Situation unterscheide sich je nach Region, Fach und Schulform zum Teil erheblich, sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Er spricht von einem "mehrfach geteilten Lehrerarbeitsmarkt".

Die GEW fordert deshalb seit Langem, das Lehramtsstudium flexibler zu gestalten und etwa die Weichen in Richtung Gymnasium oder Grundschule erst im Masterstudium zu stellen. Zudem gelte es, besonders die Grundschule attraktiver zu machen; dort verdienen Lehrer weniger als ihre Kollegen auf einem Gymnasium oder einer Realschule. Einzige Ausnahme: Berlin. Um im Konkurrenzkampf um voll ausgebildete Lehrkräfte "wettbewerbsfähig" zu sein, hat man dort die Besoldung der neuen Grundschullehrer jener der anderen Lehrer angeglichen.

Ein anderer möglicher Wettbewerbsnachteil aber bleibt. Berlin ist eines von nur zwei verbliebenen Bundesländern, die ihre Lehrer nicht verbeamten. Das andere heißt Sachsen.

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