In seinem Bericht an den Deutschen Bundestag hat das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert, dass an den Schulen die Themen Menschenrechtsverletzungen und Fluchtursachen zu wenig thematisiert werden. Fragen an die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf.
SZ: In der Debatte um Flüchtlinge sind zunehmend rassistische Einstellungen vertreten, heißt es im jüngsten Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Sie halten Bildung, genauer gesagt, Schulbildung, für eine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun.
Beate Rudolf: Wir leben in Zeiten von wachsendem Rassismus, von Gewalt gegen Flüchtlinge, es gibt Angriffe auf die Menschenrechte - denken Sie an die unsägliche Diskussion über Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze. Wer so etwas ausspricht, der stellt Menschenrechte grundlegend infrage.
Deshalb braucht es in der Schule das Arbeiten auf der Grundlage der Menschenrechte. So dass Kinder und Jugendliche von Anfang an erleben, was Menschenrechte bedeuten, und dass es gut ist, sie zu beachten und sich dafür einzusetzen, dass sie auch für andere gelten.
Kinder und Jugendliche erfahren in der Schule doch, was es mit diesen Rechten auf sich hat.
Es gibt überall ein großes Bekenntnis zu den Menschenrechten und der entsprechenden Bildung. Aber wenn man genau hinschaut, dann stellt man fest, dass sie nicht so gut vermittelt werden, wie es nötig ist. Nur etwas über die Menschenrechte zu lernen, reicht nicht. Es braucht mehr als das Wissen, dass es das Grundgesetz und Menschenrechtsverträge gibt und welche Menschenrechte dort stehen.
Schülerinnen und Schüler sollten gewissermaßen auch für die Menschenrechte lernen und ihre Anwendung im schulischen Alltag selbst erleben. Menschenwürde, Gleichbehandlung aller Menschen, Diskriminierungsfreiheit, Respekt vor dem Anderen, Einsatz für die Rechte Anderer - das lässt sich in der Schule einüben. Deshalb spielt sie eine ganz wichtige Rolle.
Wenn da noch zu wenig passiert, woran liegt das? An den Bildungsplänen? Den Schulbüchern? Oder den Lehrenden?
In allen drei Bereichen besteht Verbesserungsbedarf. Wir haben die Bildungspläne der 16 Bundesländer analysiert und festgestellt, dass die Themen Rassismus, Flucht und Asyl nur selten behandelt werden, und wenn, nur in höheren Klassen. Flucht und Migration werden miteinander vermischt. Außerdem wird beides meist negativ konnotiert. Da wird immer nur von Problemen gesprochen, die durch Flüchtlinge entstehen. Themen wie Diskriminierung und strukturelle Ungleichheiten, unter denen Flüchtlinge leiden, sind nicht Teil der Bildungspläne.
Sie haben für Ihren Bericht auch auf die "Schulbuchstudie 2015" zurückgegriffen. Die Integrationsbeauftragte Aydan Özğuz (SPD) hat nach der Veröffentlichung die Fortschritte gelobt, die es in Schulbüchern in Bezug auf das Thema "Integration" gibt.
Es ist gut, dass Integration dort jetzt so ein wichtiges ein Thema ist. Aber es muss immer im Kontext gesehen werden: Flucht oder Migration. Diese Themen werden aber leider sehr einseitig dargestellt. Migration etwa wird in eine Reihe gestellt mit Armut, Terrorismus und Klimawandel.
Das Thema Integration selbst wird in den Schulbüchern fast immer als Anpassungsleistung behandelt, die Flüchtlinge oder Migranten zu erbringen haben. Es sollte aber auch darüber gesprochen werden, dass diese Menschen auch ein Recht auf Bildung haben, ein Recht zu arbeiten, ein Recht auf Wohnen. Und dass der Staat hier eine Verpflichtung hat. Außerdem sollten neben den Problemen, die es natürlich gibt, auch die Chancen angesprochen werden, die Einwanderer und Asylbewerber für eine Gesellschaft darstellen können.