Schulbau:Ich taufe dich auf den Namen...

Tourneestart Udo Lindenberg Live 2019

Udo Lindenberg auf Tour: In einer "geheimnisvollen Stadt" heißt eine Schule nach ihm.

(Foto: dpa)

... Goethe-Schule, Schiller-Schule, Udo-Lindenberg-Schule. Den Zeitgeist erkennt man auch daran, wie eine Gesellschaft ihre Bildungsanstalten nennt. Hamburg ruft nun zu einem Wettbewerb auf - 44 neue Schulen brauchen einen Namen.

Von Paul Munzinger

Wie eine Gesellschaft tickt, erkennt man auch daran, welche Namen sie ihren Schulen gibt - und welche sie ihnen nimmt. Etwas vereinfacht gesagt präsentiert sich das frühe 21. Jahrhundert in dieser Hinsicht als eine Epoche, in der Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg als Pate kaum noch tragbar ist, Panikrocker Udo Lindenberg dagegen schon. 2017 benannte sich eine Mittelschule in Mellrichstadt, Unterfranken, in Udo-Lindenberg-Mittelschule um. Eine überraschende Wahl, bedenkt man, dass Udo Lindenberg bis dato gründlich an Mellrichstadt vorbeigelebt hatte. Angemessen verwundert bedankte sich der Geehrte per Videobotschaft "bei einer geheimnisvollen Stadt in einem Zauberland, etwas weiter weg von Hamburg".

Genau dort, in Lindenbergs Wahlheimat, hat der Zeitgeist nun die seltene Gelegenheit, sich nicht nur punktuell, sondern in einem großen Aufschlag zu offenbaren. Die Hansestadt sucht Namen für 44 neue Schulen auf einmal. Schulsenator Ties Rabe (SPD) eröffnet an diesem Donnerstag einen Ideenwettbewerb, eine Art öffentliches Brainstorming für die Massentaufe. Wie München oder Berlin verzeichnet auch Hamburg steigende Schülerzahlen, am Dienstag verkündete Rabe den höchsten Zuwachs in den ersten Klassen seit 20 Jahren. Deshalb wird in den kommenden Jahren kräftig gebaut: 21 neue Grundschulen sollen entstehen, 13 Stadtteilschulen, sieben Gymnasien sowie drei Schulen, über deren Form noch entschieden wird. Und deshalb wird nun nach Namen gefahndet.

Allgemein gilt, nicht nur in Hamburg: Grund-, Mittel- oder Stadtteilschulen leiten ihre Namen oft von ihrer Adresse ab, die Grundschule Öjendorfer Damm zum Beispiel. Gymnasien dagegen stellen sich schon immer gern auf die Schultern berühmter Persönlichkeiten. In München etwa wurden sie früher bevorzugt nach Mitgliedern des Hauses Wittelsbach getauft (Max, Ludwig, Therese). Das Risiko solcher Namensgebungen besteht darin, dass spätere Zeiten die erwählten Paten womöglich nicht mehr für ehrwürdig halten, siehe Hindenburg und andere historische Figuren, die in Verbindung zur NS-Zeit stehen. Ganz vorne in der Rangliste der beliebtesten Schulpaten stehen heute übrigens die Geschwister Scholl.

In Hamburg gibt es bislang 95 Schulen, die den Namen bekannter Persönlichkeiten tragen. Nur 28 von ihnen sind Frauen, weshalb Frauennamen laut Schulverwaltung nun als Vorschläge besonders willkommen sind. Ansonsten gibt es keine Vorgaben, nur wertende Namen ("Moderne Schule") sind für öffentliche Schulen nicht erlaubt. Goethe ist in Hamburg schon zweimal vertreten, andere Klassiker dagegen gar nicht: Friedrich Schiller zum Beispiel oder Astrid Lindgren.

Fest steht nur: Udo Lindenberg kommt als Pate in Hamburg nicht infrage, zum Glück. In der Hansestadt muss man erst sterben, bevor man einer Schule seinen Namen geben darf. Das unterscheidet Hamburg etwa von Baden-Württemberg, wo es seit ein paar Jahren eine Maria-Furtwängler-Schule gibt. Und von Berlin: Dort können die Schüler der Gail-S.-Halvorsen-Schule dem Namensgeber ihrer Schule - einem der legendären US-Piloten während der Luftbrücke 1948/49 - demnächst persönlich zum 100. Geburtstag gratulieren.

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