Der Satz klingt banal, eine Selbstverständlichkeit, doch er hat es in sich: Auf den Lehrer kommt es an. Das ist die Quintessenz der berühmten Hattie-Studie. Als der Neuseeländer John Hattie vor elf Jahren präsentierte, was er in anderthalb Jahrzehnten Bildungsforschung herausgefunden hatte, provozierte er damit die pädagogische Welt: Nicht die Klassengrößen, nicht die finanziellen Mittel der Schulen, nicht die Lerntechniken, auch nicht Elternunterstützung, Sitzenbleiben oder Förderstunden entscheiden laut Hattie darüber, wie viel Schüler lernen. Ein gigantischer Datensatz von 50 000 Einzelstudien floss in seine Analyse ein, und unterm Strich bilanzierte der Forscher: Die größten Unterschiede im Lernfortschritt zeigen sich nicht von Schule zu Schule, sondern von Klasse zu Klasse - zwischen Schülern verschiedener Lehrer oder Lehrerinnen.
Was Unterricht den Schülern bringt, hängt demnach weniger von äußeren Strukturen ab als von der Lehrerpersönlichkeit. Wer das Glück hatte, nach einem schlechten Mathelehrer einen guten zu erwischen und plötzlich Dreien statt Fünfen zu schreiben, kann das bestätigen. Dasselbe Mathebuch, dieselbe Nachhilfe, dieselben Mitschüler, nichts hat sich geändert - außer dem Menschen da vorn. Der gut erklären kann, weil er imstande ist, den eigenen Unterricht mit Schüleraugen zu sehen. Der nicht seine Zuhörer verantwortlich macht, wenn sie etwas nicht verstehen, sondern sich selbst.
Ein guter Lehrer ist eine Bereicherung, ein schlechter eine Beeinträchtigung. Ein guter Lehrer macht Mut, ein schlechter entmutigt. Lehrer können Leidenschaften entfachen, schlafende Talente wecken, Selbstvertrauen geben - oder das Gegenteil von alldem bewirken. Sie können Helden sein, Peiniger oder traurige Gestalten. Ihre Macht ist nicht zu unterschätzen.
Kein Wunder, dass wir ihnen nicht nur im echten Leben begegnen, sondern auch da, wo Menschen ihr Leben verarbeiten: in Büchern, Filmen und Comics. Den strengen Lehrer Lämpel, dem Max und Moritz Flintenpulver in die Meerschaumpfeife stecken, gab es wirklich; er lebte in dem Ort, in den Wilhelm Busch als Neunjähriger zur Erziehung geschickt wurde. Auch der Drehbuchautor Tom Schulman war von seiner Schulzeit inspiriert, als er "Der Club der toten Dichter" schrieb. Der Club, der Suizid eines Schülers: Fiktion. Der von Robin Williams gespielte John Keating aber hat sein Vorbild in dem Englischlehrer, der einst Schulman begeistert hatte.
Sogar Rektor Skinner trägt Züge von Lehrern, die nicht ahnen konnten, dass zwei ihrer Schüler später für die Fernsehserie "Die Simpsons" schreiben würden. Und wer weiß, vielleicht ist auch Minerva McGonagall nicht ganz und gar erfunden. Immerhin besitzt sie eine Gabe, die alle guten Lehrer auszeichnet: Schülern beizubringen, wie sie sich verwandeln. In jemanden, der jeden Tag ein bisschen klüger wird.
Susanne Klein