Süddeutsche Zeitung

Schule:Korrigieren Lehrer immer fair?

Beim Bewerten von Schulaufgaben lassen sich Lehrer von persönlichen Antipathien leiten, fürchten manche. Zwei Lehrkräfte erzählen, wie sie sich um Vergleichbarkeit bemühen.

Von Matthias Kohlmaier

Die Leserfrage

Meine Tochter besucht die 10. Klasse eines Gymnasiums in Bayern. Ich denke aber, dass meine Frage auch für andere Schulformen und Bundesländer relevant ist. Es geht mir darum, wie Lehrer Klassenarbeiten korrigieren und ob es dabei immer gerecht zugehen kann. Gerade in Deutsch oder Kunsterziehung scheinen mir die Zensuren manchmal vollkommen willkürlich gewählt.

Wie sehen die Vorgaben beim Korrigieren für Lehrkräfte aus? Und wie stellen sie sicher, dass sie bei einer Schulaufgabe mit 30 Schülern von der ersten bis zur letzten Aufgabe alle gleich bewerten?

Die Antwort

Viele klare gesetzliche Vorgaben haben Lehrer bei der Korrektur nicht zu beachten. Im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) werden sie etwas schwammig dazu angehalten, "unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler in pädagogischer Verantwortung der Lehrkraft" die Leistungen zu bewerten.

Für eine ordentliche Korrektur ist also zu großen Teilen jede Lehrkraft selbst verantwortlich. Bevor sie eine Klassenarbeit schreiben, formulieren Lehrer einen sogenannten Erwartungshorizont: Welche Antwort muss auf welche Frage folgen, damit der Schüler die volle Punktzahl bekommt? Und trotzdem gibt es beim Korrigieren nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grau - Grenzfälle, bei denen immer wieder neu entschieden werden muss, wie sie zu bewerten sind. Zwei Lehrer aus verschiedenen Fachbereichen erzählen, wie das bei ihnen abläuft:

Die Mathelehrerin

"In Mathe ist das Korrigieren deutlich weniger komplex als zum Beispiel in Deutsch oder den modernen Fremdsprachen. Ich erstelle vor jeder Schulaufgabe einen Erwartungshorizont, in dem die verschiedenen Rechenwege abgebildet sind und genau steht, wie viele Punkte es für welchen Rechenschritt gibt. Da entstehen bei der Korrektur kaum problematische Fälle. Damit es vergleichbar bleibt, korrigiere ich zudem aufgabenweise, bewerte also zuerst bei allen Schülern nacheinander die erste Teilaufgabe, dann die zweite und so weiter.

Um die Leistungen von Schülern auch klassenübergreifend möglichst gerecht beurteilen zu können, schreiben wir an meiner Schule auch häufig in Parallelklassen zeitgleich Schulaufgabe. Gestern haben wir in fünf neunten Klassen die gleiche Arbeit geschrieben, die danach jeder der zuständigen Lehrer anhand des gleichen Erwartungshorizonts korrigiert. Da bleibt eigentlich kein Spielraum mehr für ungerechtfertige Zensuren."

Der Deutschlehrer

"Natürlich sind die Bewertungskriterien in Deutsch nicht so eindeutig wie in den Naturwissenschaften. Deshalb versuche ich, vor Schulaufgaben mit der Klasse deutlich herauszuarbeiten, was mir wichtig ist. Dann wissen die Schüler ganz genau, was sie können und im Aufsatz zeigen müssen. Wobei man auch ganz klar sagen muss: In Deutsch ist die Bewertung bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Mir ist es im Gegensatz zu Kollegen zum Beispiel sehr wichtig, dass die Schüler Einleitung und Hauptteil eines Aufsatzes durch eine ordentliche Überleitung verbinden - das erkläre ich ihnen vor der Prüfung aber auch. Zusätzlich sammle ich Übungsaufsätze ein und korrigiere sie, damit die Schüler vor dem Tag X sehen, wo sie stehen.

Bei der Korrektur selbst arbeite ich sehr umfangreich, schreibe vieles an den Rand des Textes. So erspare ich mir, Schülern und Eltern hinterher langwierige Diskussionen, weil alle direkt sehen, wo es gehapert hat. Wenn ich mir bei einer Zensur einmal unsicher bin, hole ich auch regelmäßig die Meinung von Kollegen ein. Dass Schüler oft Angst haben, dass der Deutschlehrer bei der Benotung auch persönliche Aversionen mit einbezieht, kann ich sogar ein bisschen verstehen. Aber es gehört zum Job, nur das Wissen zu bewerten und nicht jemandem eine schlechte Note zu geben, nur weil uns seine Nase nicht gefällt.

Wenn ich bei einer Schulaufgabe zum Beispiel zwischen Note 3 und 4 schwanke, beziehe ich aber durchaus die Leistung des Schülers im Unterricht mit ein. Schläft er da die ganze Zeit und arbeitet aus Prinzip nicht mit, sehe ich keinen Grund, warum ich die bessere Note geben sollte."

Woran sich Lehrer halten müssen

Die Lehrer an bayerischen Gymnasien, auf die sich Ihre Frage ja bezieht, müssen neben der "pädagogischen Verantwortung" aus dem BayEUG noch einige weitere Dinge beim Korrigieren beachten - die sich jedoch von Schule zu Schule unterscheiden können. Da ist zum Beispiel die Festlegung des Schwellenwerts. Dieser regelt, welche Punktzahl mindestens erreicht werden muss, damit der Schüler noch eine 4 bekommt. Den Schwellenwert legt die Fachschaft an jeder Schule individuell fest; er kann in den modernen Fremdsprachen zum Beispiel zwischen 50 und 60 Prozent liegen, in Mathe können eventuell schon 40 Prozent der Gesamtpunktzahl für die Note 4 genügen.

Außerdem kann kein Lehrer seine Klasse mit einer besonders schweren und streng korrigierten Schulaufgabe bestrafen. Ist der Notendurchschnitt der gesamten Klasse bei einer Arbeit sehr schlecht (oder auffällig gut), muss die Lehrkraft die Schulaufgabe dem Schulleiter vorlegen. Dieser kann dann entscheiden, ob die Korrektur in Ordnung war, der Notenschlüssel geändert wird, um die Zensuren etwas anzupassen oder - aber das ist ein seltener Extremfall - ob die Schulaufgabe zurückgezogen und wiederholt werden muss.

Dauern darf die Korrektur einer Arbeit laut Schulordnung für die Gymnasien in Bayern übrigens zwei Wochen. Zusatz: "In der Jahrgangsstufe 10 im Fach Deutsch und in den Jahrgangsstufen 11 und 12 beträgt diese Frist für Schulaufgaben drei Wochen."

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