Süddeutsche Zeitung

Schule:"Don't stop! Fifteen seconds to go!"

Lesezeit: 2 Min.

An einem Augsburger Gymnasium sollen die Fünftklässler im Sportunterricht Englisch sprechen. Bringt das was?

Von Matthias Kohlmaier

Viele Eltern kennen das: Nach ein paar Wochen Sommerurlaub in Frankreich sind bei den Kindern nicht nur die Begriffe merci und baguette hängengeblieben - die Kleinen beherrschen plötzlich ganze Sätze auf Französisch. Sprachbad nennen das Wissenschaftler. Soll heißen: Die Kinder sind der fremden Sprache ständig ausgesetzt, lernen dabei spielerisch und quasi, ohne es selbst zu bemerken.

In der Schule sieht das meist anders aus, sprachgebadet wird wenig. Wenngleich Lehrkräfte sich Mühe geben, den Fremdsprachenunterricht so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten, so bleibt es doch: ein Schulfach, in dem Leistung gebracht und das Klassenziel erreicht werden muss. Spielerisch lernt es sich da kaum.

Das sieht auch Josef Meier so, Englischdidaktiker an der Universität Augsburg. Er suchte eine Variante, wie das Englische zumindest ein wenig stressfreier in der Schule Platz finden könnte. Das Ergebnis seiner Überlegungen testet seit vergangenem Schuljahr das Augsburger Maria-Theresia-Gymnasium. Dort findet der Sportunterricht für die Fünftklässler bilingual statt, meist wird aber Englisch gesprochen. "Viele Kinder kannten diese Art des Unterrichts schon aus der Grundschule. Daher war es logisch, das aufs Gymnasium zu übertragen", sagt Meier.

Vier Jahre lang hatte er zuvor bereits an der Augburger St.-Anna-Grundschule ein Pilotprojekt zum bilingualen Unterricht wissenschaftlich begleitet. Dort wurden die Fächer Musik, Kunst und Sport auf Englisch gelehrt, und zwar mit so großer Zufriedenheit unter allen Beteiligten, dass der Schulversuch mittlerweile auf 20 bayerische Grundschulen ausgeweitet worden ist.

Nun steht Lehrerin Nicole Adamczyk mit ihren Fünftklässlerinnen in der Sporthalle des Maria-Theresia-Gymnasiums in Augsburg. Zirkeltraining, die Lehrerin feuert die Kinder lautstark an: "Don't stop! Fifteen seconds to go!" Und die Mädchen hüpfen 15 weitere Sekunden tapfer über Bänke und klettern an Seilen. Am Anfang seien nicht alle Kinder begeistert von der Fremdsprache im Sport gewesen, sagt Adamczyk später: "Das hat sich aber schnell aufgelöst, und nach wenigen Wochen bemühten sich die Kinder, so viel wie möglich auf Englisch zu sagen oder zu fragen."

Dass sich gerade der Sportunterricht gut für das Sprachenlernen eignet, ist nicht überraschend. Notendruck, wie in den meisten anderen Fächern, gibt es nicht, ebensowenig Hausaufgaben. Dazu kommt die Sporthalle, wo sich Kinder und Lehrkräfte freier bewegen und der Unterricht damit ungezwungener ablaufen kann. "Es ist hier nicht wichtig, dass die Kinder jedes Wort perfekt aussprechen oder Verben direkt richtig konjugieren", sagt Lehrerin Adamczyk. "Sie sollen einfach auf Englisch ins Reden kommen, ohne sich allzu viele Gedanken zu machen."

Und wie geht es den Kindern im Englisch-/Sportunterricht? Dazu hat sie einer von Josef Meiers Studenten für seine Zulassungsarbeit befragt. Einige Aussagen:

  • "Bei manchen Sachen, zum Beispiel bei Fitness, war es nicht so toll, aber es hat schon was gebracht, weil man viele Vokabeln lernt."
  • "Man hört zwar viel im Englischunterricht, aber da schreibt man auch viel und hier müssen wir gar nichts schreiben. Hier wird viel gehört und jetzt kann man selber ein Spiel erklären."
  • "Man kann jetzt schon viel mehr Wörter, und ab und zu kann man die auch im Englischunterricht brauchen."

Das sportliche Sprachbad scheint die Kinder offensichtlich nicht zu stören. Ob sie dadurch nicht nur kurz-, sondern auch mittelfristig besser Englisch sprechen als Schüler mit konventionellem Sportunterricht, das wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Josef Meier hofft nach viel positivem Feedback bereits auf eine Ausweitung des Projekts auf weitere Schulen.

Die kleine Lena hat derweil andere Probleme. Von ihrer Lehrerin möchte sie wissen, welche ihre next station im Zirkeltraining sein wird. "Your classmates are already waiting at the climbing wall", antwortet Nicole Adamczyk und zeigt auf eine Schülertraube vor der Kletterwand. "Thank you", antwortet Lena und flitzt los.

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