Schule:"Wie soll das ein Lehrer neben seinem normalen Job leisten?"

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Franz Vogl kennt das Problem gut. Er leitet das Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn, nördlich von München. Dort treibt er die Digitalisierung seit Jahren voran. Das Gymnasium ist eine von 38 Schulen deutschlandweit, die in einem Arbeitskreis die Voraussetzungen für digitale Bildung herausarbeiten. Mit immer mehr Hardware für die Schulen sei es nicht getan, meint Vogl, man müsse die Strukturen insgesamt verändern:

"Ich brauche ein Wlan-Netz, das die zu Recht hohen Anforderungen in Sachen Datenschutz an Schulen erfüllt; ich brauche ein schulinternes Netz für meine Computerräume und Tablets; ich brauche ein Verwaltungsnetz, das physisch vom Rest getrennt sein muss; dazu kommen noch weitere Zugänge von außen, die bereitgestellt und überwacht werden müssen. Jede mittelständische Firma hat für solche Aufgaben eine IT-Abteilung - aber an einem Gymnasium soll das ein Lehrer neben seinem normalen Job leisten? Das ist völlig utopisch", sagt Schulleiter Vogl.

Kurzum: Wer will, dass die Digitalisierung an deutschen Schulen gelingt, darf nicht nur an die zweifellos fehlenden Rechner und Breitbandverbindungen denken, sondern auch an die Lehrer - und sie vor Zusatzaufgaben schützen. Denn dass Leute wie Jens Reider mit Engagement und Herzblut die Systeme an ihren Schulen betreuen, ist nicht nur der immensen Mehrarbeit wegen ein Problem.

In den allermeisten Fällen übernimmt die Funktionsstelle Systembetreuung eine Lehrkraft aus den Bereichen Mathe/Physik/Informatik. Diese Lehrkräfte werden aber dringend im Unterricht gebraucht, weil es zu wenige von ihnen gibt. Im schlechtesten Fall leidet die Unterrichtsqualität darunter, dass digitale Infrastruktur bei der Digitalisierung im Klassenzimmer kaum mitgedacht wird.

Im Strategiepapier "Bildung in einer digitalen Welt" der Kultusministerkonferenz (KMK) werden seitenlang die Kompetenzen aufgezählt, die Lehrer für die Zukunft erwerben müssen. Wie sie dafür entlastet werden, steht dort nicht. "Die Lehrer können nicht nur in ihrer Freizeit darum kämpfen, dass die Digitalisierung im Klassenzimmer ankommt", warnt Schulleiter Vogl.

Dabei gäbe es einen gangbaren Ausweg: Allen Schulen könnten, wie das mancherorts bereits geschieht, finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich professionelle Hilfe einkaufen können, wenn es etwa am hauseigenen Wlan hakt. Zusätzlich könnte der zuständige Landkreis IT-Stellen für Experten etablieren - also nicht für Lehrer, sondern für Informatiker - die mehrere Schulen betreuen und helfen, wenn Not am Rechner ist. Den Systembetreuer aus dem Lehrerkollegium wird es für pädagogische Fragen weiterhin brauchen. Er könnte sich aber wieder auf seinen eigentlichen Job konzentrieren: guten Unterricht für eine digitale Generation von Schülern machen.

Das sieht die KMK auf Nachfrage immerhin ganz ähnlich. Sobald Schulen an Breitbandverbindungen angeschlossen seien, "erweitern sich die Möglichkeiten der Fernwartung und Betreuung von IT-Infrastrukturen z. B. durch kommunale Rechenzentren oder IT-Firmen". Bleibt zu hoffen, dass ein Teil der ominösen fünf Digitalpaktmilliarden dafür investiert wird.

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