Schule:Darf mein Kind das Schulgelände verlassen?

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Manchmal motiviert das Gebüsch hinter dem Zaum zu Schabernack. (Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Prinzipiell dürfen Schüler während der Pausen zum Supermarkt um die Ecke gehen. Es ist allerdings versicherungstechnisch relevant, was sie sich dort kaufen wollen.

Von Matthias Kohlmaier

Die Leserfrage

Meine Tochter besucht ein Gymnasium und feiert bald ihren 18. Geburtstag. Darf sie dann jederzeit das Schulgelände verlassen oder gibt es da Einschränkungen? Auch wüsste ich gern, was passiert, wenn ihr während der Unterrichtszeit außerhalb des Schulgeländes etwas zustößt. Ist sie auch dort gesetzlich unfallversichert?

Die Antwort

Beim Verlassen des Schulgeländes denkt man gern an ein paar Halbstarke, die sich während der großen Pause rausschleichen und verstohlen hinter einem Gebüsch eine Zigarette rauchen. Ihre Tochter wird womöglich andere Gründe haben, die zu Ihren Fragen geführt haben. Von denen ist zumindest die erste relativ einfach zu beantworten - zur Sicherheit sollten Sie dennoch einen Blick auf die Hausordnung des Gymnasiums werfen.

Solange Ihre Tochter alle verpflichtenden Schulveranstaltungen besucht, kann sie dazwischen das Schulgelände jederzeit verlassen. Mit ihrem Alter, und da kommt die Hausordnung ins Spiel, hat das nichts zu tun. An den meisten Gymnasien ist es so geregelt, dass Schüler ab der Oberstufe - also in den Klassen 11 und 12 sowie mit Abstrichen schon in Klasse 10 - das Schulgelände verlassen dürfen.

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Schülern aus Unter- und Mittelstufe ist das gewöhnlich nicht erlaubt. Wobei ihr Ausgehverbot nur für die Pausen und eventuelle Freistunden gilt. Es gibt keine Vorschrift, die es der Schule erlaubt, Schüler auch während der Mittagspause auf dem Schulgelände festzuhalten. Vor dem Nachmittagsunterricht dürfen sich also alle Altersklassen beim Supermarkt um die Ecke mit Proviant für den restlichen Schultag eindecken.

Wenn sich ein Schüler übrigens doch mal während der Pause unbefugt davonmacht, wird die Schule das nicht knallhart sanktionieren. "Wird ein Schüler beim Verlassen des Schulgeländes erwischt, gibt es nicht gleich einen Verweis. Es tut den Schülern viel mehr weh, wenn sie stattdessen mal ein paar Seiten aus der Hausordnung abschreiben müssen", sagt die Rektorin eines bayerischen Gymnasiums.

Sie sehen, das sind eigentlich alles Kinkerlitzchen. Viel wichtiger ist der versicherungstechnische Aspekt, den Sie in Ihrer zweiten Frage ansprechen. Denn sobald ein Kind in der Schule angekommen ist, haben die Lehrer eine Aufsichtspflicht wahrzunehmen und nach Kräften sicherzustellen, dass den Schülern nichts passiert. Entzieht sich ein Kind dieser Aufsichtspflicht und es stößt ihm etwas zu, kann es in bestimmten Fällen sein, dass die in der Schule geltende gesetzliche Unfallversicherung nicht greift.

Ein paar Fallbeispiele, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in einer Broschüre zusammengetragen hat:

  • Gehen Schüler während der Unterrichtszeit nach Hause, um vergessene Hausaufgaben oder Sportsachen zu holen, sind sie unfallversichert. Aber nur, wenn sie den direkten Weg nehmen.
  • Verlassen Schüler das Schulgelände für private Besorgungen oder einen Einkaufsbummel, greift die gesetzliche Unfallversicherung nicht, da sie nichts Schulrelevantes tun.
  • Wege von Schülern in der Mittagspause zur Nahrungsaufnahme außerhalb der Schule - nicht das Essen oder der Einkauf selbst - sind unfallversichert. Allerdings müssen Essen/Einkauf dazu bestimmt sein, "die Lern- und Konzentrationsfähigkeit" der Schüler zu erhalten, schreibt das BMAS.
  • Wer einen Heißhunger auf Schokolade hat und beim Weg zum nächsten Supermarkt einen Unfall hat, ist jedoch nicht versichert. "Der Kauf von Süßigkeiten ist dem privaten Lebensbereich zuzurechnen", meint das BMAS ganz ironiefrei.

Sie sehen, man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass die Regelungen teils schwammig formuliert sind und in der Praxis von Fall zu Fall entschieden werden muss, welche Regel greift. Für Ihre Tochter könnte das heißen: Sie kann das Schulgelände in Pausen und Freistunden bedenkenlos verlassen. Will sie aber ihren schulischen Versicherungsschutz nicht gefährden, sollte sie private Erledigungen lieber nach der Schule einplanen. Und sich für den Notfall vielleicht eine Tafel Schokolade von zu Hause mitbringen.

Anmerkung: Seit Veröffentlichung dieses Textes haben sich die rechtlichen Bestimmungen etwas geändert. So heißt es mittlerweile in der Bayerischen Schulordnung, Paragraph 22, Satz 2: "Schülerinnen und Schülern kann gestattet werden, während der unterrichtsfreien Zeit die Schulanlage zu verlassen, ausgenommen an Grundschulen und Grundschulstufen an Förderschulen. Die Grundsätze werden mit dem Schulforum abgestimmt." In der Praxis hat die Regelung aber, insbesondere an den Gymnasien, kaum zu Veränderungen geführt. Dort dürfen Schüler aus höheren Jahrgangsstufen weiterhin in Freistunden und während der Mittagpspause das Schulgelände gewöhnlich verlassen. Sollte hier Unsicherheit bestehen: Einfach bei der Schulleitung nachfragen.

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