Süddeutsche Zeitung

Schavan-Vortrag an Münchner Uni:Arbeiten und Lächeln ist ihr Rezept

Gut fünf Minuten haben die Journalisten an der Hochschule für Philosophie in München. Neues zur Plagiatsaffäre sagt Schavan nicht. Lieber redet die Forschungsministerin über die Internationalisierung der Hochschulen und die Verdienste der Geisteswissenschaften. Einfach weitermachen, das ist die Idee.

Von Roland Preuß

Annette Schavan lächelt, als hätte sie gerade eine Goldmedaille gewonnen. Zum Beispiel als dienstälteste Ministerin in Berlin. 18 Jahre ist sie nun Ressortchefin, erst in Stuttgart, dann in der Hauptstadt. Da weiß man, wie man auf Leute zugeht. Schnelle Schritte, fester Blick in die Augen, die Hand bereit zum Drücken.

Die Bundesbildungsministerin hat sich in ihrer Plagiatsaffäre für offensive Freundlichkeit entschieden. Für die unfreundlichen Seiten dieses Abends in der Münchner Hochschule für Philosophie tritt Schavan kurz in einen engen Seitenflur, gut fünf Minuten haben die Journalisten für ihre Fragen. Neues sagt Schavan nicht.

"Ich habe nahezu neun Monate öffentlich nicht Stellung genommen und ich kann jetzt auch noch einige weitere Zeit abwarten", sagt sie. "Und jetzt geht es an die Arbeit." Annette Schavan hat bisher weder Charme noch Doktortitel verloren - am Ende dieses Abend des Lächelns aber wird sie aus dem Haus fliehen, als könne sie das alles nicht mehr ertragen.

Am Tag zuvor hat die Ministerin noch davon gesprochen, wie belastend die Affäre für sie ist. Plagiatsvorwürfe ausgerechnet gegen sie, die zurückhaltende, seriöse Arbeiterin in Merkels Kabinett. Gegen die einzige studierte Theologin unter Deutschlands Wissenschaftsministern - und das wegen einer 33 Jahre alten Doktorarbeit.

Wie einst Clinton: "Back to work"

Schavan ist trotzdem nach München gekommen am Donnerstagabend, um in der Hochschule einen Vortrag zu halten zur "Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft". Einfach weitermachen, so schwer es fällt, das ist die Idee.

Sogar Bill Clinton hat dies einst praktiziert, "back to work", zurück an die Arbeit, sagte er 1998, als ihn die Republikaner wegen einer Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky aus dem Amt heben wollten. Das war ungleich dramatischer. Clinton war das Lächeln vergangen, Schavan kombiniert beides: Arbeiten und Lächeln ist ihr Rezept.

Fast eine Stunde spricht Schavan also lächelnd im Großen Saal der Hochschule. Man müsse sich weniger um Bildungsinstitutionen kümmern, sondern darum, wie Menschen überhaupt lernen, sagt sie. Schavan lobt die Geisteswissenschaften, was sicher nicht schlecht ankommt in einer philosophischen Hochschule, sie seien nicht die Zulieferer der Natur- und Technikwissenschaften. Da gibt es Szenenapplaus.

Die Ministerin entführt die Professoren und Studenten in die internationale Welt der Hochschulen, von Israel bis Indien, als sie beim Europäischen Bachelor-Master-System angekommen ist, wartet längst keiner mehr auf eine Bemerkung zu Plagiaten. Sie kommt auch nicht. Stattdessen gibt es Philosophenzitate und Seitenhiebe für die Bundesländer, die Studiengebühren abschaffen. Schavan wirkt nicht gelähmt, sie kann weiter angreifen. Keiner der Professoren und Studenten deutet in der Diskussion anschließend das Thema Plagiate auch nur an.

Schavan steigt also lächelnd vom Podium, die Journalisten freilich lassen ihr nur wenige Sekunden Verschnaufpause. Ein Eingeständnis der offensichtlichen Fehler in ihrer Doktorarbeit lässt sich der Ministerin nicht entlocken.

"Es geht nicht um Fehler, es geht um Abschreiben, um Plagiat, um Täuschung - das weise ich entschieden zurück", sagt sie nur. Und dass sie den Vorwurf mit Heidegger, der im Internet zu lesen ist, zu Hause in der Bibliothek widerlegen könne. Aber natürlich nicht jetzt. Schavan hat sich Verschwiegenheit auferlegt über das laufende Plagiatsverfahren. Es ist ihr juristischer Panzer gegen aggressive Fragen.

Und so rauscht Schavan hinaus, drückt sich vorbei an einem Studenten, der gerade in eine Kamera des ZDF spricht. Die Vorwürfe gegen Schavan seien doch viel harmloser als gegen Guttenberg und andere Plagiatoren, sagt der. Bei ihm habe nicht mal Schavans Ruf gelitten.

Linktipp: Warum ein Titelentzug nicht nötig ist - lesen Sie hier einen Kommentar zur Plagiatsaffäre Schavan von SZ-Autor Roland Preuß.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1582857
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/olkl/jobr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.