Rektorat:Schulen leiten will gelernt sein

Gymnasium in Alsdorf

Einer von den wenigen Anwärtern: Martin Wüller, stellvertretender Schulleiter im Gymnasium Alsdorf, während einer sogenannten "Dalton-Stunde" - Das Besondere: Während dieser Unterrichtszeit wählen die Schüler den Lehrinhalt selbst.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Aufgaben werden mehr, die Bewerber weniger: In Deutschland fehlen Schulleiter. Ein Fernstudiengang soll Kandidaten auf den stressigen Job vorbereiten.

Von Fabian Busch

Wenn Peter Danz aus seinem Alltag erzählt, klingt das nicht nach einem Traumberuf. Ein Schulleiter muss es aushalten, nicht gemocht zu werden, sagt er. Er muss psychische Belastungen ertragen, er muss lernen, es nicht allen recht machen zu können. Dazu kommt der Arbeitsdruck: "Es wird immer noch mehr draufgepackt", sagt Danz. Am Ende des Tages sei seine To-do-Liste länger als am Morgen. "Obwohl ich den ganzen Tag etwas gemacht habe."

Trotzdem macht Danz, Leiter des Berliner Friedrich-Ebert-Gymnasiums, seinen Beruf gerne. Und nicht nur das: Inzwischen bereitet er angehende Schulleiter auf die Herausforderungen vor: "Schulmanagement" heißt der berufsbegleitende Studiengang der Technischen Universität Kaiserslautern. Danz hat ihn vor zehn Jahren selbst absolviert, jetzt ist er Dozent. Wer sich für das Masterstudium eingeschrieben hat, will Rektor einer Schule werden. Oder zunächst prüfen, ob er sich den Posten zutraut - und zumuten möchte.

Sonntagmittag, ein Hotel am Stadtrand von Kaiserslautern. Die Erstsemester packen ihre Sachen zusammen, am nächsten Tag werden sie wieder unterrichten. An diesem Wochenende aber waren sie selbst die Lernenden, haben sich mit Managementtheorien und Schulorganisation befasst. Auf die Frage, ob sie selbst einmal Rektorin oder Rektor werden wollen, antworten die Studierenden dennoch eher zögernd. Die Arbeit stelle sie sich spannend und abwechslungsreich vor, sagt Isabell Simon, Lehrerin an einer Freiburger Realschule, die gerade eine berufliche Pause für das Studium nutzt. "Aber es ist auch sehr zeitintensiv und die Anerkennung nicht so hoch, wie sie vielleicht sein sollte."

Es geht um einen Job, um den immer mehr Pädagogen einen Bogen machen: In Deutschland gibt es zu wenige Rektoren. Während der Mangel in Bayern noch als vergleichsweise gering gilt, waren in Nordrhein-Westfalen zu Beginn dieses Schuljahres 784 Rektoren- und 971 Stellvertreter-Posten vakant. In Baden-Württemberg waren 231 Schulen ohne Leitung. Viele dieser Stellen wurden und werden im Laufe des Schuljahres besetzt, aber nicht alle. Betroffen sind vor allem Grundschulen. Der Deutsche Lehrerverband geht davon aus, dass bundesweit mehr als 1000 Grundschulen keine Leiterin oder keinen Leiter haben.

Schulleiter müssen auch unterrichten

Viele Bundesländer haben ihren Schulen mehr Autonomie eingeräumt, damit ist auch die Aufgabenfülle in den Schulleiterbüros gewachsen. Vor allem der Verwaltungsaufwand für alle möglichen Statistiken, die eine Schule zu führen hat, gilt als hoch. Ein Rektor ist zudem etwa für Stellenausschreibungen oder Baumaßnahmen verantwortlich, muss in Konflikten vermitteln. Und nicht zu vergessen: Jeder Schulleiter muss unterrichten - in welchem Umfang, hängt von der Schülerzahl ab.

Die Anforderungen seien also gestiegen, zumal der Trend zu größeren Schulen gehe, sagt Mandy Schiefner-Rohs, Juniorprofessorin an der TU Kaiserslautern und fachliche Leiterin des Studiengangs. Wichtig sei, nicht alles selbst erledigen zu wollen: "Ein guter Schulleiter hat Menschenkenntnis und weiß, welche Aufgaben er an welche Kollegen übertragen kann."

Der Herausforderungen für Schulleiter werden nicht weniger

Der Fernstudiengang Schulmanagement dauert vier Semester, am Ende steht ein Masterabschluss. Die meisten Seminare laufen online, einmal pro Semester kommen die Studierenden für ein Wochenende nach Kaiserslautern. Pro Jahrgang werden 100 bis 120 Interessenten aufgenommen, die jüngsten Erstsemester sind Mitte 20, die ältesten über 60. Waren in den Anfangsjahren von 2000 an noch die Männer in der Überzahl, sind es heute die Frauen. Die Studierenden kommen aus ganz Deutschland, manche aus der Schweiz, Österreich, Luxemburg und von deutschen Auslandsschulen in Mexiko, Ägypten oder China.

Das Studium richtet sich an Lehrer aus allen Bundesländern, denn selbst im deutschen Bildungsföderalismus sind die Anforderungen an Schulleiter vergleichbar: In den Modulen geht es um Personalführung und ein gutes Schulklima, um Marketing und Bildungspolitik. Und natürlich sollen die Studierenden auch eine Vision für die eigene Schule entwickeln. Das Curriculum werde ständig fortgeschrieben, sagt Schiefner-Rohs: "Aktuelle Entwicklungen schlagen hier natürlich auch auf." Inklusion, Ganztagsbetreuung, Digitalisierung - Themen also, die nicht nur Lern-, sondern auch Diskussionsstoff bieten.

Die Aufgaben, die ein Schulleiter zu bewältigen hat, werden durch neue Herausforderungen nicht weniger. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft fordert seit Langem, Rektoren von Verwaltungsaufgaben zu befreien. Der Deutsche Lehrerverband pocht darauf, sie stärker als bisher vom Unterricht freizustellen. Aber auch auf eine bessere Bezahlung, besonders an Grundschulen. "Dort ist der Gehaltssprung vom Lehrer zum Schulleiter für viele nicht attraktiv - vor allem nicht angesichts der Mehrarbeit, die auf einen zukommt", kritisiert Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. An einer kleinen Grundschule kann der Unterschied gerade einmal 200 bis 300 Euro ausmachen.

Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg reagieren mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen: mehr Fortbildungen, höhere Besoldung, mehr Verwaltungsassistenten. Fragt man die Studierenden in Kaiserslautern, ist für sie die Weiterbildung ein wichtiger Aspekt. Doch das Angebot ist klein, einen ähnlichen Studiengang wie in Kaiserslautern gibt es nur noch in Kiel. In den meisten Bundesländern können angehende Rektoren zwar Fortbildungen besuchen, in der Regel aber erst dann, wenn sie sich bereits für die Schulleitung entschieden haben. "Ich denke, dass man schon bei der Lehrerausbildung ansetzen müsste", sagt Studentin Lena Kesting, die an einer Sekundarschule in Köln unterrichtet. "Lehrer sehen an ihrer eigenen Schule, wie viele Aufgaben die Leitung bewältigen muss. Aber sie fühlen sich dem häufig selbst nicht gewachsen, weil das im Lehramtsstudium eigentlich keine Rolle spielt."

Hinzu kommt eine weitere Hürde: Nicht jeder Lehrer traut sich, offen eine Leitungsposition anzustreben. Auch manch ein Schulmanagement-Student hält die zeit- und arbeitsintensive Weiterbildung vor den Kollegen lieber geheim, erklärt Studiengangsmanagerin Eva-Maria Glade. "Manche machen das, weil sie finden, dass das Engagement einfach Privatsache ist." Andere wollen ihr Studium aber auch ganz bewusst nicht an die große Glocke hängen. "Es ist nicht immer einfach, sich im Kreis des Kollegiums zu exponieren, gerade wenn es um eine Position an der eigenen Schule geht", glaubt Mandy Schiefner-Rohs. "Man muss sich rechtfertigen", sagt auch Lehrerin und Studentin Isabell Simon. Das habe aber wiederum mit den Bedingungen zu tun: "Die Kollegen sehen ja, wie viel Arbeit ein Schulleiter hat, und fragen dann: Warum willst du dir das antun?"

Es gibt Lehrer, die während des Studiums merken, dass der Schulleiter-Job doch nichts für sie ist. Andere fassen dagegen erst hier den Mut, es wirklich zu probieren. So ging es dem Berliner Gymnasialrektor Peter Danz. Er entschied, dass er einiges anders machen wollte als seine eigenen Vorgesetzten. "Es ist ein schönes Gefühl, sagen zu können: Das ist meine Schule, für die ich verantwortlich bin", findet Danz - trotz aller Strapazen, die der Beruf mit sich bringt. "Wenn ich am Ende des Schuljahres die Abitur-Zeugnisse überreiche, habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles für andere Menschen geleistet zu haben."

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