Regelstudienzeit:Wenn's mal länger dauert

chuck norris

Schon 2009 haben Studierende in Bamberg gegen die Regelstudienzeit protestiert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Weniger als die Hälfte der Studierenden schafft den Abschluss in der Regelstudienzeit. Das ist vor allem für Bafög-Empfänger ein Problem.

Von Matthias Kohlmaier

Zu Beginn des Studiums klingt das Wort unspektakulär. Ab dem dritten oder vierten Semester bekommt es einen unangenehmen Beiklang. Und irgendwann wirkt es nahezu bedrohlich: Regelstudienzeit. Das ist die Sache, mit der sich kein Studierender ernsthaft befasst, ehe ihr Ende naht. Dabei kann der Großteil der Studierenden in Deutschland diese Zeit nicht einhalten.

7,2 Semester braucht der durchschnittliche Studierende für seinen Bachelorabschluss, heißt es im gerade veröffentlichten Bericht "Bildung in Deutschland 2016". Das Studentenmagazin Unicum kam bei einer Umfrage unter 6000 Studierenden sogar auf einen Mittelwert von 7,7 Semestern - Frauen sind demnach übrigens ein bisschen schneller fertig als ihre Kommilitonen. Noch frappierender sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach wurden 2014 nur 46 Prozent der Studierenden mit ihrem Bachelor innerhalb der Regelstudienzeit fertig, von den Master-Studenten war es sogar nur etwa ein Drittel.

"Na, und?", ließe sich nun einwenden. Die jungen Leute gehen eben zwischendurch ins Ausland, machen Praktika, wechseln vielleicht auch mal den Studiengang. Doch an die Regelstudienzeit ist das Bundesausbildungsförderungsgesetz gekoppelt - das Bafög. Diese Leistung wird nur in der Regelstudienzeit des jeweiligen Studiengangs ausbezahlt.

Fällt die Förderung weg, wird es für machen Studierenden kritisch. So wie für Larissa Vegner. Sie studiert an der TU Ilmenau, wo angeblich nur etwa sieben Prozent aller Anwärter auf einen Bachelorabschluss in der vorgesehenen Regelstudienzeit fertig werden. Und sie ist mittlerweile im 16. Semester ihres Bachelorstudiums angekommen.

Kurz zusammengefasst: Vegner, die in Wahrheit anders heißt, war während ihres Studiums mehrfach schwer erkrankt. Aber sie hat auch die eine oder andere Frist versäumt und damit das Studium unnötig verlängert. Sie sagt: "Wenn man monate- oder gar jahrelang raus ist und dann wieder das Studium aufnehmen will, kann sich das ziehen."

Vegner passierte das, wovor jedem Studierenden graut, dessen Zeit an der Uni ohnehin ungeplant lange dauert: Prüfungsordnungen veränderten sich, Prüfungsämter beantworteten Anfragen knapp oder gar nicht - und irgendwann flatterten ihr plötzlich zwei Briefe in die Wohnung. Auf zwei Klausuren wiesen sie hin, beides studienentscheidende Drittversuche, zu denen sie nun angemeldet sei. Sie hatte sich aber nie für die Klausuren angemeldet - und war schon gar nicht je zweimal durchgefallen.

Studieren ist wie Segeln

Auf Nachfrage kam vom Prüfungsamt die Antwort: "Sie wurden vom System automatisch angemeldet; hätten Sie sich eben informieren müssen!" Vegener ließ sich für die Klausurtermine, beide fanden bereits Tage später statt, krankschreiben. Durch die Studien- und Prüfungsordnungen hat sie sich mittlerweile erfolgreich gekämpft und meint: "Durch eine vernünftige Beratung wäre vieles zu vermeiden gewesen."

Ähnlich sieht das Franz Muschol, Leiter der zentralen Studienberatung an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Regelstudienzeit, meint er, sei in seinem Alltag selten ein Thema. Das sei doch nur die Zeit, in der der Studiengang leistbar sein müsse und gehe daher in erster Linie die Uni etwas an. Er wünscht sich eine engere Zusammenarbeit mit den Fachstudienberatungen: "Man müsste allgemeine und fachliche Seite mehr verzahnen. Aber das kostet personelle Ressourcen, und die müssen sich erst mal finden."

Heißt: Wenn ein Studierender Probleme hat, würde Muschol gerne helfen. "Wenn man bei den Leistungen bestimmte Signale sieht, müssten wir die Möglichkeit haben, einzugreifen." Er meint das nicht im übergriffigen Sinn, will nur die essenziellen Fragen klären: Welche Fehler kann ich im Studium vermeiden? Passt ein anderer Studiengang besser? Oder wäre ich in einer Ausbildung besser aufgehoben? Die Leute kämen nach dem Abitur teilweise mit 17 an die Uni, sagt Muschol, da sei es doch kein Wunder, wenn sich ihre Interessen über die Jahre noch veränderten. "Das ist wie beim Segeln, wo auch ein Kurswechsel nötig ist, wenn der Wind dreht."

Larissa Vegner war in Ilmenau auch mal bei der Studienberatung. Das knappe Urteil dort: "Sie sind für ein Hochschulstudium nicht gemacht." Akzeptieren wollte sie das nicht und kämpfte unter erschwerten Bedingungen weiter. Bafög bekommt sie der langen Studienzeit wegen längst keines mehr. "Aktuell lebe ich von der finanziellen Unterstützung meiner Familie." Sie müsse so viele versäumte Prüfungen nachholen, da bliebe einfach keine Zeit, nebenbei arbeiten zu gehen.

Um solche Fälle zu verhindern, hat der bundesweite Studierendenverband fzs eine klare, wenngleich erwartbare Meinung zur Regelstudienzeit. "Für Studierende, die nebenbei noch für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, die Eltern sind oder Angehörige pflegen, ist es sehr schwierig, die Regelstudienzeit einzuhalten", sagt Marie Dücker, Vorstand im fzs. Regelstudienzeiten sollten abgeschafft, mindestens aber realistischer gestaltet werden.

Studierende kosten viel Geld

Wie lange ein Studium in Normalfall dauern soll, das legen die Unis selbst fest. Wobei natürlich hier nicht ausschließlich das Wohl der Studierenden eine Rolle spielt, denn ihre Ausbildung kostet eine Menge Geld. Laut Statistischem Bundesamt sind das für einen Sprachwissenschaftler etwa 6700, für einen angehenden Humanmediziner sogar mehr als 30 000 Euro pro Jahr. Je schneller die Studierenden den Abschluss erreichen, desto weniger Geld kosten sie die Unis. Und die Regelstudienzeit kann dazu motivieren, sich mit dem Lernen etwas zu beeilen.

Für Larissa Vegner spielt das bald keine Rolle mehr. Wenn alles klappt, hat sie am Ende des Semesters alle Prüfungen geschafft und muss nur noch ihre Bachelorarbeit schreiben. Will sie danach noch einen Master dranhängen? Aus fachlicher Sicht gern, sagt sie. "Aber ich kann es mir wohl nicht leisten, noch länger zu studieren."

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