Rechtschreibung:Das Alphabet bekommt einen neuen Buchstaben

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Das "ß" ist nicht nur groß geworden, sondern auch ziemlich dick. (Foto: www.bergfest.at; Bearbeitung SZ)
  • Der Deutsche Rechtschreibrat hat entschieden, dass es das "ß" künftig auch als Großbuchstabe gibt.
  • Unter Typografen gibt es über diesen Schritt schon lange Streit.
  • Das scharfe S oder auch Eszett gibt es nur im Deutschen.

Von Jörg Häntzschel

Das deutsche Alphabet hat einen neuen Buchstaben: das große ß. Das hat der Rat für deutsche Rechtschreibung am gestrigen Donnerstag bekannt gegeben. Damit geht eine Debatte zu Ende, die schon seit dem 19. Jahrhundert geführt wird und bis heute für erbitterten Streit unter Typografen sorgt. Das eine Lager begrüßt die Weiterentwicklung der Schrift. Das andere lehnt den neuen Buchstaben (der in der SZ-Schrift noch nicht enthalten ist) aus ästhetischen Gründen ab. Zum einen wegen seiner Größe: Es ist eine Art SUV der Buchstaben. Zum anderen wegen seiner ungelenken Form. An einem Bogen, der weit auslädt wie eine Straßenlaterne aus den Sechzigerjahren, baumelt ein gewaltiger Haken, der die ganze Konstruktion jeden Moment zum Kippen bringen kann.

Das scharfe s oder auch Eszett gibt es nur im Deutschen. Und auch dort war es immer ein Kuriosum. Die seltsamste seiner Eigenschaften war, dass es im Gegensatz zu sämtlichen anderen Buchstaben nur als Kleinbuchstabe existierte. Das störte nicht sehr, da es nie am Anfang eines Worts steht. Doch was, wenn ein Wort oder ein Name mit einem ß darin in Versalien geschrieben wird? Es gab nur zwei Lösungen: Man benützte den Klein- unter lauter Großbuchstaben - oder löste das ß in SS auf.

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Dieser Behelf war schon deshalb nicht überzeugend, als es sich beim ß gerade nicht um ein Doppel-s handelt, sondern eine Symbiose von s und z, eine Ligatur, so wie das französische œ. Die vertikale Linie geht auf das "lange" s der Frakturschrift zurück, das dem f ähnelt, während der "Bauch" ursprünglich ein Fraktur-z war. Besonders deutlich ist das etwa beim ß der Berliner Straßenschilder zu erkennen, das fast mit einem "fz" zu verwechseln ist.

Dennoch ist in vielen Versionen des ß, so auch in der SZ-Schrift, in der Abwärtslinie weniger ein z als eher ein s zu erkennen. Dieser Buchstabe war als Doppel-s in Italien und Frankreich gebräuchlich und hat eine viel längere Tradition als das sz.

Tastenkombination: 1E9E Alt-C

Das ß als sz-Ligatur hingegen wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und hat sich nicht einmal im ganzen deutschsprachigen Raum durchgesetzt. Wer in der Schweiz falsch parkt, muss eine "Busse" zahlen. Die deutsche Rechtschreibreform, die - wegen des kurzen Vokals - aus dem "daß" das "dass" gemacht hat, hat der Verbreitung des ß ebenfalls zugesetzt.

Warum man diese sperrige Letter mit zwei Namen und gespaltener Persönlichkeit nun, statt sie vielleicht abzuschaffen, mit einer Großversion aufwertet, hat verschiedene Gründe. Menschen, die Großmann und Menschen, die Grossmann heißen, sollen im Pass, wo der Name in Versalien erscheint, nicht mehr gleich geschrieben werden. Überhaupt, so Kerstin Güthert, Geschäftsführerin des Rechtschreibungsrats, gebe es einen Trend zu Versalien. Und schließlich, so vermuten manche, wolle niemand das ß in seinem Namen gegen ein SS tauschen. Dafür muss man eben die ästhetische Zumutung des dicken ß in Kauf nehmen - und sich die Tastenkombination 1E9E Alt-C einprägen, mit der manche Computer es schon heute erzeugen können.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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