Rassismus an Schulen:"Es gibt leider auch Vollidioten unter Lehrkräften"

Lesezeit: 3 min

#MeTwo zeigt, dass es an Deutschlands Schulen nach wie vor Probleme mit Rassismus gibt. (Foto: picture alliance / Wolfram Kastl)

Unter #MeTwo teilen Menschen ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus auch an Schulen. Der Deutsche Lehrerverband fordert: nicht wegschauen.

Von Matthias Kohlmaier

Die #MeTwo-Debatte in den sozialen Netzwerken lenkt nicht nur große Aufmerksamkeit auf den noch immer gängigen und tolerierten bis ignorierten Alltagsrassismus in Deutschland. Sie zeigt auch, wo dieser Alltagsrassismus Betroffene schmerzlich trifft: in der Schule. Von den Zehntausenden Tweets haben viele traurige Erfahrungen mit Lehrkräften und Mitschülern zum Thema.

Sind deutsche Schulen also rassistisch? Behindern sie die Integration, statt sie zu fördern? Die Dinge, die Menschen mit Migrationsgeschichte derzeit via Twitter teilen, zeigen: Zu viele Jugendliche und insbesondere Lehrkräfte lassen sich nach wie vor in ihren Entscheidungen und Äußerungen von Klischees und Vorurteilen leiten.

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Kein Klischee, sondern ein wissenschaftlich gut untersuchter Fakt ist, dass es Kinder mit Migrationshintergund an deutschen Schulen schwerer haben als ihre Klassenkameraden. Laut Pisa-Studie sind ihre Leistungen im Durchschnitt deutlich schwächer, sie fühlen sich außerdem unglücklicher in der Schule. Der "Chancenspiegel 2017" hat gezeigt: Für Jugendliche mit ausländischem Pass ist das Risiko eines Schulabbruchs ohne Abschluss mehr als doppelt so hoch wie für ihre deutschen Mitschüler.

Die Leistungsunterschiede erklären Forscher oft mit dem vergleichsweise niedrigen Bildungsniveau der Eltern von Kindern mit Migrationsgeschichte und den eher einfachen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, in denen die Schüler aufwachsen. Schwerer zu erklären sind die Ergebnisse einer neuen Studie der Uni Mannheim. Demnach werden Grundschulkinder mit ausländischen Namen im Fach Deutsch von Lehrkräften schlechter bewertet als ihre deutschen Klassenkameraden - trotz gleicher Leistung.

"Es gibt leider auch Vollidioten unter Lehrkräften", sagt Heinz-Peter Meidinger, Chef des Deutschen Lehrerverbandes, über Benachteiligungen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Ein derartiges Verhalten sei kriminell, habe im Klassenzimmer nichts verloren und müsse sofort angezeigt und mit einem Disziplinarverfahren geahndet werden. "So ein Lehrer macht so etwas gewöhnlich nicht nur einmal, sondern häufiger."

Meidinger appelliert daher an alle Betroffenen, rassistische Ausfälle unverzüglich der Schulleitung zu melden - und an seine Kollegen, die Fälle streng zu verfolgen. "Natürlich gibt es Schulleitungen, die Probleme ein wenig unter den Teppich kehren wollen - beim Thema Rassismus aber darf keinesfalls jemand wegschauen." Einen flächendeckenden Rassismus in deutschen Lehrerkollegien erkennt Meidinger jedoch nicht. Das Thema müsse dennoch fester in der Lehrerausbildung verankert werden.

Das würde auch Serkan Günel unterschreiben. Er kennt das Problem aus zwei Perspektiven - zuerst aus der des Schülers, heute aus der des Lehrers an einer bayerischen Mittelschule. "An meiner Grundschule auf dem Dorf war ich vor 30 Jahren der einzige Türke, da gab es schon den einen oder anderen blöden Kommentar", sagt Günel, der eigentlich anders heißt. Er habe damals aber eine sehr engagierte Klassenleiterin gehabt, die jede Form von Rassismus sofort unterbunden habe. "An ihr orientiere ich mich heute noch, wenn es in meinen Klassen Ärger gibt."

Und wie funktioniert das an einer Mittelschule, wo Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen, mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten und Glaubensrichtungen zusammenkommen? Laut Serkan Günel durch klare Kommunikation auf Augenhöhe. "Ich will den Kindern nichts aufzwingen, ich will darüber diskutieren, wer was warum gesagt hat - egal, ob ein Muslim aufgrund seines Glaubens oder ein Pole aufgrund seiner Herkunft beleidigt worden ist." Dass er selbst türkische Eltern hat, hilft ihm dabei. "Ich kann wahrscheinlich besser nachempfinden, was in manchen Schülern vorgeht, als das der Kollege Max Mustermann könnte."

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Mit solchen Mustermännern hat Günel in seinem Job öfter zu tun. Mehr als einmal habe er schon einen Kollegen beiseitegenommen, wenn er das Gefühl hatte, dass bei dessen Umgang mit Schülern Vorurteile eine Rolle spielten. "Das waren einige Male sehr komplizierte Gespräche und man hat auch nicht immer eine gemeinsame Ebene gefunden", sagt Günel. Er will trotzdem alles tun, um Rassismus an der Schule keinen Raum zu geben, denn: "Deutschland ist schließlich ein Zuwanderungsland."

Dass dem so ist, zeigt auch der Mikrozensus von 2016. Demnach hat etwa ein Drittel der Schüler in Deutschland einen Migrationshintergrund. Diese Schüler haben oft keine helle Haut und glauben auch nicht an den christlichen Gott. Und sie heißen nicht Max Mustermann oder Lisa Müller, sondern Sina Araya oder Murat Azgın, sie heißen vielleicht auch Doruk Demircioğlu oder Dejan Mihajlović.

Das sind keine erfundenen Namen, diese Menschen haben alle unter dem Hashtag MeTwo teils schauderhafte Erfahrungen aus ihrer Schulzeit geteilt. Mihajlović zum Beispiel: "In der Grundschule erhielt ich im Zeugnis in D ne 2, obwohl alle meine Leistungen zuvor mit 1 bewertet wurden. Der Lehrer fragte meine Mutter und mich, wie sich wohl deutsche Mitschüler fühlen würden, wenn ein Ausländer in D ne bessere Note als sie hätte. Hat mich geprägt."

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