Profitrainer im Schulsport:Begeisterung wecken bei den kleinen Dicken

Profitrainer im Schulsport: "Profiklubs müssen Teil des Lehrplans werden!", forderte Ex-Basketballprofi Henning Harnisch in einem SZ-Interview.

"Profiklubs müssen Teil des Lehrplans werden!", forderte Ex-Basketballprofi Henning Harnisch in einem SZ-Interview.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Den Sport zu den Kindern bringen, das will Ex-Basketballer Henning Harnisch. Gemeinsam mit Profiklubs verschiedener Sportarten schickt er jetzt Vereinstrainer an Grundschulen. Eine Idee, an der sich Politik und Funktionäre ein Beispiel nehmen sollten.

Ein Kommentar von Claudio Catuogno

Henning Harnisch, 45, den sie einst "Flying Henning Harnisch" nannten, hat verschiedene Dinge ausprobiert nach seinem Rücktritt als Basketballer im Jahr 1998: Film- und Kulturwissenschaften studiert, für die taz geschrieben, an der Humboldt-Uni über die Ästhetik des Sports referiert. Eine Weile war er dann Sportdirektor bei Alba Berlin, was ja nahe lag: Einer der besten Basketball-Profis seiner Zeit, Europameister 1993, managt nach der aktiven Karriere ein Profi-Basketball-Team. Aber was naheliegt, muss sich noch lange nicht richtig anfühlen.

Im Frühjahr 2007 stand Henning Harnisch dann in einer Turnhalle im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, er trug einen gelben Bauhelm auf dem Kopf und einen Spaten in der Hand. Grundsteinlegung. Alba Berlin hatte von der Stadt eine vor sich hinbröckelnde DDR-Halle übernommen. Grundschüler aus 20 Schulen sollten dort bald professionelles Basketballtraining erhalten. Und zwar nicht nur die hoch aufgeschossenen Talente, die es irgendwann ins Erstligateam schaffen könnten. Sondern auch die kleinen Dicken, die Faulen, die mit den zwei linken Händen. Das fühlte sich richtig an für Harnisch: den Sport zu den Kindern zu bringen. Die Alba-Halle war, wie man heute weiß, nur der Anfang.

Nicht nur in Berlin, im ganzen Land wird die Ganztagsschule zunehmend gesellschaftliche Realität. Was diese Entwicklung für die Zukunft der Vereine bedeutet, für die Nachwuchsarbeit der Verbände - das ist wohl eines der am meisten unterschätzten Phänomene der stolzen deutschen Sportnation. Den klassischen Alltag vieler Heranwachsender - vormittags in die Schule, nachmittags ins Vereinstraining - wird es in Zukunft immer seltener geben.

Klagen bleiben ohne Folgen

Henning Harnisch forderte 2009 in einem SZ-Interview: "Profiklubs müssen Teil des Lehrplans werden!" Wenn die Kinder nicht mehr in die Vereine kommen, müssten die Vereine eben zu den Kindern kommen - so lautete die Kernthese. Und den finanzstarken Profiklubs komme dabei wegen ihrer "Strahlkraft" eine besondere Bedeutung zu.

Jetzt, dreieinhalb Jahre später, hat Harnisch in Berlin auch diese Vision in die Tat umgesetzt. In dieser Woche wurde in der Hauptstadt das Modellprojekt "Profivereine machen Schule" vorgestellt, neben Alba, wo Harnisch Vizepräsident ist, sind die wichtigsten Klubs mit dabei: Hertha und Union (Fußball), die Füchse (Handball), die Eisbären (Eishockey) und die Volleys (Volleyball).

Sie schicken ihre Vereinstrainer an Grundschulen, wo bisher ja eher selten ausgebildete Sportlehrer wirken, sondern oft die Musik- oder Sachkunde-Experten bis zu 30 Kinder in Bewegung bringen sollen. Der Sportunterricht wird dadurch besser, und für die Vereinstrainer, die allein von ihren Einsätzen am Abend oft nicht leben können, ergibt sich ein zweites Standbein.

Klingt vernünftig? In der Tat. Stellt sich nur noch die Frage, warum es erst die Beharrlichkeit eines von einer Idee besessenen Basketball-Querdenkers braucht, um ein gesellschaftlich relevantes Thema so konkret anzupacken. Dass immer weniger Kinder noch auf einem Bein stehen oder rückwärts laufen können, weil alle nur noch vor dem Computer hocken - das wird von Politikern und Funktionären gerne beklagt. Zu besseren Schulsport-Konzepten hat diese Klage aber bisher selten geführt.

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