Privatschulen:Förderung statt Starrheit

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Camillo Wildenauer fühlt sich an seiner Privatschule in München wohl - und hat in keinem Fach Probleme. (Foto: Stephan Rumpf)

Kleinere Klassen, angstfrei Lernen: Wenn sich ihre Kinder bereits in der zweiten oder dritten Klasse gestresst fühlen, entscheiden sich manche Eltern für den Wechsel auf eine Privatschule.

Von Christina Warta

Als Camillo Wildenauer von der vierten Klasse der Grundschule auf das staatliche Gymnasium wechselte, zweifelte niemand daran, dass er die neuen Anforderungen mühelos meistern würde - er selbst nicht, und seine Eltern ebenfalls nicht. "Ich hatte einen Notenschnitt von 1,3", erzählt der heute 16-Jährige, "ich dachte, das schaff' ich locker." Doch so kam es nicht.

Kaum auf dem Gymnasium, rutschten Camillos Noten in den Keller. "Es waren alle Fächer betroffen", sagt er. Er quälte sich mit Französisch, ärgerte sich mit Mathe. "Ich habe den Stoff nicht wirklich verstanden, die Lehrer haben alles sehr schnell durchgezogen, es war immer laut in der Klasse", erinnert er sich. Plötzlich gehörte Camillo, der nie Probleme gehabt hatte, zu jenen Schülern, deren Versetzung gefährdet war. Seine Eltern warteten nicht lange: Sie begannen, sich nach einer Alternative umzusehen. Heute besucht Camillo die zehnte Klasse des Neuhof-Gymnasiums in München. Er hat die sechste Klasse auf der Privatschule wiederholt, seither ist von Versetzungsproblemen keine Rede mehr.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat ergeben, dass sich schon jeder dritte Zweit- oder Drittklässler von der Schule gestresst fühlt. Mit zunehmenden Alter nimmt der Druck für Schüler häufig noch zu. Und so ist es kein Wunder, dass immer mehr Eltern nach Möglichkeiten suchen, diesen Druck, der auf ihren Kindern lastet, abzumildern. Für viele ist der Besuch einer Privatschule eine solche Möglichkeit, auch wenn für den Schulbesuch, anders als bei staatlichen oder kommunalen Schulen, Schulgeld bezahlt werden muss. Im Gegenzug wird eine alternative pädagogische Ausrichtung sichergestellt, etwa bei Waldorf- oder Montessorischulen, oder eine intensivere Betreuung garantiert.

In Bayern etwa ist laut einer Statistik des Verbands Bayerischer Privatschulen mittlerweile jede fünfte Schule privat, und jeder siebte Schüler besucht eine Privatschule. Dabei ist der Anteil bei den allgemeinbildenden Schulen mit 12,7 Prozent geringer. Bei den beruflichen Schulen dagegen, also Berufsfach- und Berufsober-, Fach- und Fachoberschulen sowie Wirtschaftsschulen und Fachakademien, liegt der Anteil bei stolzen 52,4 Prozent. Unterschieden wird zwischen staatlich anerkannten Schulen, die den staatlichen Schulen formal und rechtlich gleichgestellt sind, und den staatlich genehmigten Schulen, die mehr Freiheit bei der Zusammenstellung ihres Lehrplans haben.

"Ich wollte eine angstfreie Schule, die aber kein Hort der Bequemlichkeit ist, sondern Motivation und Leistungsfähigkeit erzeugt", sagt Jürgen Meyer, Gründer und Träger der Neuhof-Schulen in München. Der Privatschulträger bietet Realschule, Gymnasium und Fachoberschule sowohl in staatlich anerkannter als auch in staatlich genehmigter Variante an. Verweise etwa, andernorts ein häufig genutztes Druckmittel, gibt es hier gar nicht. In den staatlichen oder kommunalen Schulen dominiere das Prinzip des Selektionsdrucks, so der Pädagoge. Damit komme nicht jedes Kind zurecht. "Manchen Schülern fehlen gewisse Grundlagen, andere sind Opfer der Umstände", erklärt Meyer. "Aber aus jedem Kind kann man etwas herausholen."

Kleinere Klassen mit 24 Schülern, eine Hausaufgabenstunde im Anschluss an den Unterricht, rechtzeitiges Fördern bei Problemen in einem Fach und eine frühe Vorbereitung auf das Abitur - das sind für Meyer die wesentlichen Gründe dafür, dass es an den Neuhof-Schulen praktisch keine Durchfaller gibt. "Die staatlich genehmigten Schulen geben uns die Möglichkeit, flexibler auf Defizite zu reagieren", sagt er. Gibt es Probleme etwa in Englisch, wird der Lehrplan entsprechend umgestaltet.

Ein ähnliches Prinzip verfolgen die Pindl-Schulen: In Regensburg betreibt der Schulträger eine Realschule, ein Gymnasium, eine Fachoberschule und eine Wirtschaftsschule, in Straubing und Passau außerdem je eine Wirtschaftsschule. Insgesamt besuchen knapp 2000 Schüler die Pindl-Schulen, 100 von ihnen leben in einem angeschlossenen Internat.

Der zunehmende Stress, dem Kinder ausgesetzt sind - "das ist es, warum Eltern ihre Kinder zu uns schicken", sagt Detlef Ammon, einer von zwei Geschäftsführern. Im Zentrum des pädagogischen Konzepts stehen "schülerzentrierte Unterrichtsmethoden". Je nach Jahrgangsstufe und nach Schulart laufe der Unterricht dem Alter und den Fähigkeiten der Schüler entsprechend ab.

"Die Förderung des einzelnen Schülers steht bei uns im Mittelpunkt", sagt Geschäftsführer Markus Pindl, "wir kümmern uns um jeden, damit er seinen Weg machen und den für ihn bestmöglichen Abschluss erreichen kann." Prüfungscoaching, Ferienkurse, kleine Lerngruppen, Hausaufgabenbetreuung - "all das nimmt den Schülern die Angst und sorgt dafür, dass sich viele sogar auf die Schule freuen", ergänzt Ammon. Man verzichte auf eine "ausgelutschte" Form der Förderung: Ein Schüler, der mit dem Lehrplan schon überfordert ist, muss nicht auch noch Chinesisch lernen. "Wir wollen die Schüler nach ihren Fähigkeiten fördern", sagt Pindl. "Einem Einser-Schüler fällt vieles leicht, der kann auch noch anderes lernen. Ein anderer Schüler hat vielleicht Schwierigkeiten mit Mathe, dem muss man zunächst helfen, dieses Problem zu beseitigen."

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Darüber hinaus versucht man in Regensburg, eng mit den Eltern zusammenzuarbeiten, durch Kontakte und Austauschaktionen mit Schulen im Ausland die Internationalität zu fördern und im Schulalltag Werte zu vermitteln. "Außerdem versuchen wir, immer an den aktuellen Themen dranzubleiben", sagt Geschäftsführer Pindl. Technische Entwicklungen wie Facebook oder Ähnliches müssten auch in der Schule ein Thema sein.

Dem verbreiteten Vorurteil, dass es sich nur begüterte Eltern leisten können, ihre Sprösslinge auf private Schulen zu schicken, widersprechen sowohl Meyer als auch Pindl. "Unsere Schüler kommen aus allen sozialen Schichten", sagt Meyer. Das Schulgeld an den Neuhof-Schulen beträgt 500 Euro monatlich. "Aber es gibt auch Eltern, die null Euro zahlen oder nur ein Drittel der Summe." Das liege im Ermessen des Trägers. Wichtig seien vor allem die staatlichen Zuschüsse. Ohne sie wäre eine Privatschule wie diese nicht zu betreiben, sagt Meyer. In den Pindl-Schulen liegt das Schulgeld zwischen 170 Euro für das Gymnasium und 365 Euro für das Ganztagspaket. "Häufig staunen Menschen, wenn sie das hören", sagt Pindl, "sie denken, dass eine Privatschule viel teurer ist."

© SZ vom 06.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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