Potsdam (dpa/bb) - Immer mehr Schüler mit Behinderungen werden in Brandenburg in einer Regelschule unterrichtet. Im Schuljahr 2018/2019 besuchte knapp die Hälfte - 49,6 Prozent - der Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf eine Grund- oder weiterführende Schule, teilte das Brandenburger Bildungsministerium der Deutschen Presse-Agentur mit. Damit übertraf das Land den Bundesdurchschnitt von 47,5 Prozent. Im Schuljahr 2009/2010 betrug dieser Anteil in Brandenburg noch 36 Prozent. Nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und des Verbands Bildung und Erziehung (BPV) gibt es allerdings viel zu wenig qualifizierte Sonderpädagogen.
Von den 915 Brandenburger Schulen 2018/2019 gab es 188 „Schulen für gemeinsames Lernen“, an denen Förderschüler einen anerkannten Abschluss erlangen können. Mit dem gerade begonnenen neuen Schuljahr sind weitere 30 Schulen hinzugekommen.
Die 2009 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention schreibt den Zugang aller Menschen zur Bildung vor. Damit hat sich auch Deutschland verpflichtet, Kindern mit und ohne Behinderung die gleichen Chancen einzuräumen. Brandenburg startete im Schuljahr 2012/2013 ein zweijähriges Pilotprojekt zum gemeinsamen Lernen in der Grundschule. 2017/2018 wurde es zum Konzept der inklusiven Bildung erweitert.
Mit der wachsenden Schülerschaft Brandenburgs hat auch die Zahl der behinderten Kinder und Jugendlichen zugenommen. Wie das Bildungsministerium auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion mitteilte, benötigten im abgelaufenen Schuljahr rund 17 500 Jungen und Mädchen eine besondere Förderung im Unterricht. Gemessen an der Gesamtzahl von etwa 221 300 Schülern waren das 7,9 Prozent. Im Schuljahr 2009/2010 betrug die Förderquote noch 8,3 Prozent.
Laut Bildungsministerium nimmt der Anteil der Schüler, die eine besondere Förderung der Sprachfähigkeit benötigen, in Brandenburg ab. Im größten Brandenburger Schulamtsbereich Frankfurt (Oder) liegt der Schüleranteil mit dem Förderschwerpunkt Sprache bei 0,2 Prozent aller Schüler, in den anderen drei Schulamtsbereichen Cottbus, Brandenburg/Havel und Neuruppin beträgt die Quote sogar nur 0,1 Prozent.
In Brandenburg nehmen Kinder seit 2006 ein Jahr vor ihrer Einschulung an einem verbindlichen mehrstufigen Sprachtest Verfahren in den Kindertagesstätten teil. Die Kita stellt dafür eine Bestätigung aus, die bei der Grundschulanmeldung des künftigen ABC-Schützen vorgelegt werden muss.
In der Schule folgt dann in den ersten sechs Wochen eine Erhebung zum Lernstand, bei der die Ausgangslage jedes Kindes erfasst wird. Darauf aufbauend wird ein persönlicher Lernplan entwickelt und geklärt, ob eine Sprachförderung erforderlich ist. Die Lernstandsanalyse gibt es auch in den dritten und fünften Klassen.
Unterstützt werden die Kinder mit besonderem Förderbedarf laut Ministerium durch sonderpädagogisch qualifiziertes Personal. Schulen mit gemeinsamem Lernen erhalten dafür spezialisierte Lehrkräfte für den Unterricht in den Schwerpunkten Sprache, Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie für die sonstige individuelle Förderung. Derzeit kommen auf einen Sonderpädagogen in Brandenburg rechnerisch 7,5 Förderschüler. Vor fünf Jahren lag die Quote mit 7,6 Schülern etwas höher.
Brandenburgs GEW-Vorsitzender Günther Fuchs sagte der dpa, neben qualifizierten Sonderpädagogen fehlten auch Therapeuten und sonstiges pädagogisches Personal. „Beim schulpsychologischen Dienst liegt Brandenburg im hinteren Bereich aller Bundesländer.“ Die Brandenburger BPV-Vizepräsidentin Christina Adler nannte die Stellen für Sonderpädagogen „Augenwischerei“. Viele Sonderpädagogen würden im normalen Unterricht als Vertretungslehrer eingesetzt. „Mit der jetzigen Situation sind die wenigsten Schulen zufrieden.“