Podcasts:Ein Stück vom Kuchen

Eine Germanistin und ein Physiker bereiten die spannendsten Begebenheiten aus ihren Fachbereichen digital auf und teilen ihren "Science Pie" mit einer hungrigen Fangemeinde.

Von Denis Schnur

Mit ruhiger Stimme liest Dennis Schulz vom Tablet in seiner Hand ab: "Siegfried ist tot, ermordet von Hagen." Als würde er einem Publikum eine Zusammenfassung des Nibelungenliedes liefern. Nur steht der 26-Jährige nicht auf der Bühne, sondern vor dem Fenster seines Schlafzimmers in Heidelberg. Seine Zuhörer sind ein Mikrofon und Freundin Annika Brockschmidt. Mit ihr nimmt er Episoden für den gemeinsamen Wissenschaftspodcast "Science Pie" auf. In den etwa 15-minütigen Tonaufnahmen wollen sie ihren Hörern beim Putzen, Busfahren oder Joggen kleine Wissenshappen vermitteln. Mal Spannendes, mal Schockierendes, mal Absurdes.

Damit liegen die beiden im Trend: Studenten im ganzen Land entdecken gerade digitale Techniken, mit denen sie ihr Studium, ihre Uni oder gar die Welt etwas besser, gerechter oder aufregender machen. Unterstützt werden sie dabei vom Stifterverband, einem Zusammenschluss von Unternehmen und Stiftern. Dieser hat 2015 zwölf Vorzeige-Projekten die "Hochschulperle Digital" verliehen. Zu den Preisträgern zählen etwa die "Kiron University", die Flüchtlingen ein Online-Vorstudium ermöglicht, oder die FH Aachen, die Sicherheitstests für Firmenwebseiten anbietet. Ausgezeichnet für ihr Engagement wurden auch die beiden Heidelberger, da sie "Wissenschaft auf eine unterhaltsame Weise" vermitteln, wie die Jury fand.

Podcasts: Keine Silbe verschlucken: Team "Science Pie" bei der Arbeit - zu Hause.

Keine Silbe verschlucken: Team "Science Pie" bei der Arbeit - zu Hause.

(Foto: Schnur)

Unterhaltsam, vor allem aber aufwendig ist auch die Produktion des Podcasts: Brockschmidt sitzt neben ihrem Freund, schaut auf den Laptop. Kaum hat Schulz zu Ende gelesen, wirft sie ein: "Da hast du eine Silbe verschluckt." Neuer Versuch. Man merkt, dass die beiden nicht zum ersten Mal am Mikro stehen. Die Aufnahme, die sie an diesem Abend machen, wird die 19. Ausgabe ihres Podcasts, wobei sie alle Folgen auf Deutsch und Englisch eingesprochen haben.

Was sie wollen? Radiogeschichten aus zwei Fachgebieten, die sonst wenig miteinander zu tun haben

Das Themenspektrum ist ziemlich weit: In der ersten Folge erklärt Schulz, was der Computer konnte, der 1969 mit zum Mond flog, später beleuchtet Brockschmidt die Freundschaft zwischen Thomas Mann und Franklin D. Roosevelt. In anderen Folgen geht es um unfassbar große Zahlen oder die Faszination von Propaganda. Was zufällig wirkt, hat System: Schulz promoviert an der Uni Heidelberg in Physik. Brockschmidt, drei Jahre jünger, absolviert ihren Bachelor in Geschichte und Germanistik und arbeitet als freie Journalistin. Die Inhalte kommen aus den Fachgebieten der beiden. Immer greifen sie Themen auf, die eher abseits stehen, und machen "eine kleine Radiogeschichte" draus, so Schulz.

Wissen to go

Podcasts sind via Internet abonnierbare Ton- und Videodateien. Neben "Technik-Nerds" bieten heute viele Medienanstalten ihre Sendungen in dem Format an. Eine Studie von ARD und ZDF kam 2015 zu dem Ergebnis, dass 13 Prozent der Deutschen das Medium nutzen. Auch Studenten greifen zum Mikro. So informiert das Karlsruher Institut für Technologie im Podcast "Modellansatz" über Forschungsthemen. Bei "student.stories" erklären Augsburger Studenten internationalen Kommilitonen das Leben in der Stadt. Die Uni Freiburg beantwortet in "Student Speak" Fragen zu Leben und Studium dort. Manche Professoren nutzen das Medium außerdem, um Mitschnitte von Vorlesungen online verfügbar zu machen. Denis Schnur

Nächste Aufnahme, diesmal klappt alles - was nicht selbstverständlich ist. Wenn etwa jemand Altglas in die Container vor dem Fenster wirft, müssen die Podcaster schon mal von Neuem anfangen. Dabei ist die Aufnahme nur ein Teil der Arbeit, das meiste geschieht vorher. Wenn einer der beiden von einem Thema überzeugt ist, schreibt er ein Skript, der andere liest Korrektur - oft der kritischste Moment.

"Wir sind beide sehr pingelig", sagt Brockschmidt. Aber ohne ihre unterschiedlichen Interessen würde es den "Science Pie" wohl gar nicht geben. Von anderen Podcasts hebt er sich dadurch ab, dass Brockschmidt und Schulz geistes- und naturwissenschaftliche Themen kombinieren. Für sie ist das logisch, in der Podcast-Szene bislang einzigartig. "Irgendwann haben wir festgestellt, dass uns immer mehr Menschen hören, auch über unseren Freundeskreis hinaus", so Brockschmidt. Mittlerweile seien es um die 15 000 Hörer. Für sie schlagen sich die beiden ihre Abende um die Ohren. Irgendwann, sagt Schulz, würden sie ihr Hobby aber doch gern zum Beruf machen.

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