Das heißt nicht, künftig auf Plagiatsverfahren zu verzichten. Forscher pochen im Fall Schavan zu Recht darauf, dass die wissenschaftliche Wahrheit immer wieder überprüft werden muss. Dazu zählt die Frage, wie diese Wahrheit erarbeitet wurde und wer sie hervorgebracht hat. Die Frage nach dem Urheber entscheidet über Karrieren und Ruhm, sie bestimmt, wer in den Olymp der Wissenschaft aufgenommen wird als Nobelpreisträger. Die Frage nach dem Wie entscheidet darüber, wie verlässlich die Erkenntnisse sind und wie neu.
Auf der Arbeit ihrer Vorgänger bauen Wissenschaftler auf wie bei einem Turm, der immer neue Horizonte eröffnet. Eine falscher Stein, ein Plagiat oder eine Fälschung, kann die Forschung in eine falsche Richtung lenken, kann sie zunichte machen, den ganzen Turm zum Einsturz bringen.
So ergeht es derzeit allerdings auch den Plagiatoren. Der Doktortitel wird ihnen genommen und damit der Grundstein, auf den sie ihr Leben aufgebaut haben. Es ist eine späte Rache der Universitäten, was diese gar nicht einfordern.
Für sie ist die Qualität der Doktorarbeiten entscheidend, also ob es ein Plagiat ist, nicht dass der Autor bis in alle Ewigkeit dafür verfolgt wird. Er hat darauf vertraut, diesen Titel zu tragen - und dieses Vertrauen sollte nach einigen Jahren einen Schutz genießen. In der Praxis heißt dies, die Plagiatsprüfung von dem Entzug des Titels zu trennen. Während die Universität also auch nach Jahrzehnten noch feststellen kann, dass ein Werk auf Copy und Paste beruht, entzieht sie nach einer Frist von zehn oder 20 Jahren trotzdem nicht den Titel. Auch akademische Fehltritte sollten irgendwann verjähren.
Prominente wie die Bildungsministerin oder Koryphäen der Forschung wird dies nicht vor dem Fall schützen, falls sie öffentlich des Plagiats überführt werden. Ihre Reputation baut auf ihrer wissenschaftlichen Redlichkeit auf, ob mit oder ohne Titel. Viele andere jedoch, deren Schicksal im Stillen verhandelt wird, blieben so verschont. Bei ihnen macht der Titelentzug den Fehltritt erst sichtbar.
Die Infografik, die in diesm Beitrag verbaut ist, hat bei einigen Nutzern Fragen und Diskussionen ausgelöst, weil sie missverständlich aufgebaut war. Wir haben die Grafik um eine ausführliche Erklärung ergänzt, die die Quellenlage und die auf dieser Basis zu treffenden Aussagen erläutert.
Im Wortlaut: Mit dieser Grafik dokumentiert SZ.de eine Auswahl der Plagiatsvorwürfe der Universität Düsseldorf gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Die Gegenüberstellung von Dissertation und Originalquelle beruht auf dem internen Untersuchungsbericht der Philosophischen Fakultät von Professor Stefan Rohrbacher. Der Judaistik-Professor kommt auf insgesamt 60 fehlerhafte Seiten in der 351 Seiten umfassenden Dissertation und legt damit weniger strenge Maßstäbe an als die Plagiatesucher von Schavanplag, die 92 Seiten bemängeln. Er habe Grenzfälle, über die man streiten könne, nicht berücksichtigt, schreibt Rohrbacher. Das typische Muster bei Schavan: sie verweist zwar mit einem "Vgl." auf den Autor, übernimmt jedoch teils Absatzweise wörtlich, was sie als Zitat hätte kennzeichnen müssen. Dies macht die Causa Schavan weit weniger eindeutig als den Fall Karl-Theodor zu Guttenberg. Nur bei zwei Werken findet sich gar kein Nachweis: Bei Ernst Stadter und Jean Laplanche /Jean-Bertrand Pontaus.