Software gegen Plagiate:"So eine Situation dürfen Hochschulen nicht akzeptieren"

Unis setzten im Kampf gegen Plagiate auf Prävention

Viele Unis setzen im Kampf gegen Plagiate auf Prävention.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

PlagScan bietet Unis eine Software im Kampf gegen Betrug. Geschäftsführer Markus Goldbach erklärt, wie das funktioniert - und welche Plagiate kaum zu erkennen sind.

Interview von Matthias Kohlmaier

Familienministerin Franziska Giffey ist ein prominenter, gewiss aber kein Einzelfall: Studien zeigen, dass Studierende an deutschen Unis in großer Regelmäßigkeit aus fremden Texten abschreiben, ohne diese als Quelle anzugeben. Für Dozenten ist es eine schwierige Situation, denn eine wissenschaftliche Arbeit auf Plagiate zu überprüfen, ist sehr zeitaufwendig.

Deshalb etablieren sich immer mehr Unternehmen, die den Hochschulen digitale Lösungen als Unterstützung anbieten. EIn Hersteller ist die Kölner Firma PlagScan, die seit 2009 eine Plagiaterkennungssoftware anbietet und damit faire Bildungsstandards fördern will. Geschäftsführer Markus Goldbach, 37, über die Schwierigkeiten im Kampf gegen akademischen Betrug.

SZ: Herr Goldbach, wie soll PlagScan zu Fairness im akademischen Leben beitragen?

Markus Goldbach: Die Software kann dabei helfen, dass die Leistungen vergleichbarer werden. Studien aus den USA zeigen schließlich, dass plagiierende Studierende am Ende bessere Noten bekommen als Kommilitonen, die wissenschaftlich sauber gearbeitet hatten. So eine Situation dürfen Hochschulen nicht akzeptieren.

Wissenschaftlich sauber hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in ihrer Dissertation offenbar nicht gearbeitet. Hätte Ihre Software das aufdecken können?

Wo sie Stellen aus Wikipedia übernommen oder andere Autoren zitiert hat, deren Dokumente unserem Dienst zur Verfügung stehen, hätte die Software sicherlich angeschlagen. Man muss aber auch ganz offen sagen: Selbst die beste Plagiatserkennungssoftware kann keinem menschlichen Korrektor Konkurrenz machen. Dass es aber immer wieder offensichtliche Plagiate durch die Qualitätskontrollen der Unis schaffen, zeigt auch, dass die Software eine sinnvolle und in vielen Fällen notwendige Unterstützung für die Dozenten sein kann.

Wie arbeitet PlagScan?

Eine Bachelorarbeit oder Dissertation wird digital erfasst und von dem Programm automatisch geprüft. Das dauert bei den meisten Arbeiten wenige Minuten, kann bei sehr umfang- und quellenreichen Dokumenten, etwa Dissertationen in Sozialwissenschaften, auch mehrere Stunden dauern. Am Ende spuckt die Software einen Plagiatsbericht aus, der genau anzeigt, wo der Inhalt so oder in ähnlicher Weise schon einmal verwendet worden ist. Dafür wird er mit Milliarden online verfügbarer Dokumente, Inhalten kooperierender Verlage und zusätzlich mit allen Daten und Arbeiten abgeglichen, die zum Beispiel die betreffende Hochschule bereits hochgeladen hat.

Sind die Verfehlungen des Autors dann unterschiedlich markiert - von besonders schlimm bis gerade noch akzeptabel?

So ähnlich. Wortwörtliche Übernahmen werden rot markiert, umformulierte Texte blau, und wortwörtliche Übernahmen als Zitate grün. Der Korrektor bekommt quasi einen optischen Leitfaden an die Hand mit Stellen, die er genauer überprüfen sollte. Etwas schwieriger wird es für das Programm beim Erkennen von indirekten Zitaten, an der Stelle wollen wir noch präziser werden.

Autoren mit Betrugsabsicht schreiben Fremdtexte oft einfach um, ohne die Quelle anzugeben. Bemerkt die Software solche Paraphrasen?

Da wird es knifflig. Wenn etwa in einem Abschnitt von zehn Wörtern nur noch drei oder weniger Wörter aus der Originalquelle vorkommen, hält das System das für einen neuen Text. Hier kommt die Software an ihre Grenzen, wobei man sagen muss: Zufällige Worttreffer können natürlich immer wieder vorkommen. Das Programm muss in solchen Fällen auch in der Lage sein, zu erkennen, wenn eben kein Betrug vorliegt.

Schwachpunkt der Software? Übersetzungsplagiate

Fällt die Software auch ein Gesamturteil über eine geprüfte Arbeit?

Ja. Wenn maximal 0,5 Prozent der kompletten Arbeit so in anderen Texten vorkommen, braucht man sich aus Plagiatssicht keine Sorgen zu machen. Je höher der Wert, desto eher sollte man sich mit den Funden konkret auseinandersetzen. Drei Prozent können bedeuten, dass ein Anhang erkannt wurde, der so identisch kopiert werden darf - aber auch, dass in einer einhundertseitigen Doktorarbeit drei Seiten komplett abgekupfert wurden.

Lässt sich die Software auch komplett überlisten?

Jede Plagiatserkennungssoftware hat den gleichen Schwachpunkt wie ein menschlicher Korrektor auch: Übersetzungsplagiate. Wenn Studierende Texte aus einer Fremdsprache übersetzen und dann noch paraphrasieren, ist das kaum zurückzuverfolgen. Ähnliche Stellen gibt es laut den bisherigen Daten von VroniPlag ja auch in der Dissertation von Franziska Giffey. Und um die zu finden, hat ein versierter Prüfer Hunderte Stunden gebraucht. Wie gesagt: Die Software ist ein Tool, um menschlichen Prüfern die Arbeit zu erleichtern. Um Auffälligkeiten komplett zu vermeiden, ist sehr viel Aufwand nötig - gerade diesen scheuen Plagiatoren aber in der Regel.

Manche Studierende schreiben ihre Arbeiten gar nicht selbst, sondern bezahlen zum Beispiel Agenturen für akademisches Ghostwriting. Sie arbeiten daran, diese Form von Betrug zumindest zu erschweren.

Unser "Schreibstil-Erkennungs-Tool" ist derzeit in der Testphase. Es analysiert häufig verwendete Worte, Satzlängen und -strukturen, Grammatik, Fremdwörter und so weiter, und vergleicht das mit Arbeiten, die der Autor im Verlauf des Studiums eingereicht hat. Unterscheiden sich die Schreibstile signifikant, kann das ein Hinweis darauf sein, dass der vorgebliche Autor den Text gar nicht selbst geschrieben hat. Aber Vorsicht: Es kann natürlich auch sein, dass sich der Studierende einfach stark verbessert hat. Das abschließend zu beurteilen, ist Aufgabe des Dozenten.

Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, will an seiner Uni kein akademisches Klima mit "ständigem Ausbauen der Kontrollen". Auch viele Studierendenvertreter sprechen vom Generalverdacht, wenn jede Arbeit digital auf Plagiate geprüft werden soll. Wie sehen Sie diese Haltung?

Wenn irgendwo ein stationärer Blitzer installiert wird, bedeutet das ja auch nicht, dass alle Autofahrer unter Generalverdacht gestellt werden. Es bedeutet nur, dass überprüft wird, ob sich alle den Vorgaben entsprechend verhalten. Und diejenigen, die das nicht tun, müssen die Konsequenzen tragen. Schließlich soll der Blitzer nur die Unfallquote senken.

In Mainz investiert man viel Geld und Zeit in Prävention: Mit Schreibwerkstätten, Seminaren und Arbeitsgruppen zum Thema "Akademische Integrität".

Plagiatsprävention finde ich super. Mir wäre es am liebsten, wenn die Studierenden originelles und wissenschaftlich korrektes Arbeiten von vornherein erlernen und anwenden. Dann würde es auch deutlich weniger Plagiate geben, und schon gar keine unbeabsichtigten.

Und Ihre Software würde nicht mehr gebraucht?

Wenn mehr Aufklärung wirklich irgendwann dazu führt, dass Plagiate nicht mehr vorkommen, suche ich mir gerne eine andere Aufgabe.

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