Lehrermangel, Unterrichtsausfall, G8/G9-Ärger an den Gymnasien, Versäumnisse bei Digitalisierung und Ganztagsausbau: Das deutsche Schulwesen hat in jüngster Zeit eine Menge Kritik einstecken müssen. Umso erfreulicher ist ein neu veröffentlichtes Teilergebnis der Pisa-Studie 2015. Demnach können Deutschlands 15-Jährige komplexe Probleme im Team überdurchschnittlich gut lösen.
Erstmals wurden bei Pisa 2015 soziale Fähigkeiten der Schüler getestet, unter anderem im Bereich Gemeinschaftliche Problemlösung. Schülerinnen und Schüler in Deutschland konnten diesen Test besser lösen (525 Punkte) als der Durchschnitt der 15-Jährigen in den OECD-Staaten (500 Punkte). Allerdings ist der Abstand zum Spitzenreiter Japan (552 Punkte) ähnlich groß wie zum Durchschnitt. Ähnlich gut wie Deutschland schnitten Australien, die USA, Dänemark und Großbritannien ab.
Zur Spitzengruppe zählt Deutschland beim Anteil der besonders kompetenten Schülerinnen und Schüler, der 13 Prozent beträgt. Beim Anteil der besonders leistungsschwachen Schüler liegt Deutschland etwa im Durchschnitt der OECD-Staaten. Das spricht dafür, dass gerade diese Schüler besser gefördert werden müssten.
Gruppenarbeit ist häufiger Bestandteil im Unterricht
Dass sich die Schüler bei dem Test gut angestellt haben, dürfte auch mit ihren Lehrkräften zusammenhängen. In einem Fragebogen, der ebenfalls Teil der Pisa-Studie war, gab mehr als die Hälfte der deutschen Lehrerinnen und Lehrer an, mindestens einmal in der Woche Gruppenarbeiten in den Unterricht einzubauen - mehr als im internationalen Durchschnitt. Leicht über dem Schnitt liegen auch die Werte, mit denen die Schüler einstuften, wie viel Freude ihnen das Arbeiten im Team bereitet und wie stark es ihnen weiterhilft.
"Sowohl im Beruf als auch im Alltag stehen wir ständig vor Problemen, die wir ohne andere Menschen nicht lösen können. In der Arbeitswelt handelt es sich dabei zunehmend um Aufgaben, für die es keine Routine gibt", sagt Kristina Reiss vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien an der Technischen Universität München, die Koordinatorin des deutschen Teils der Pisa-Studie. "Deshalb ist es gut, dass in den Schulen diese Arbeitsweise regelmäßig geübt wird und die Jugendlichen im OECD-Vergleich eine überdurchschnittliche Kompetenz erworben haben."
Mädchen schneiden besser ab als Jungen
Bereits erste Auswertungen der aktuellen Erhebung hatten viele Geschlechterklischees bestätigt: Jungen waren demnach deutlich besser in Mathematik, während Mädchen bessere Leistungen im Bereich Lesekompetenz erbrachten.
Einen deutlichen Zusammenhang zum Geschlecht fanden die Wissenschaftler auch beim gemeinsamen Problemlösen: Die Mädchen erreichten 540 Punkte und damit 30 Punkte mehr als Jungen. Zugunsten der Jungen, allerdings geringer, war der Unterschied in der Pisa-Studie 2012 ausgefallen, als komplexe Aufgaben allein gelöst werden mussten. Dies deutet darauf hin, dass die Mädchen vor allem in der Teamarbeit sehr große Fähigkeiten entwickeln. Dazu passt, dass sie eine größere Freude an Gruppenaufgaben angeben als die Jungen.
So wurde getestet
Bei der sechsten internationalen Pisa-Studie wurden im Frühjahr 2015 die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in verschiedenen Bereichen getestet (die Studie wurde 2016 vorgestellt). In 32 Staaten setzte die OECD, die die Studie koordiniert, erstmals zusätzlich einen Test zur sogenannten kollaborativen Problemlösekompetenz ein, der nun ausgewertet wurde. In Deutschland haben daran etwa 1900 Schüler aller Schularten teilgenommen.
Den 15-Jährigen wurden am Computer verschiedene Aufgaben gestellt, deren Lösung sie gemeinsam mit mehreren anderen Personen erarbeiten mussten. Diese Personen wurden vom Testprogramm simuliert. Beispielsweise sollte die Gruppe ein Ausflugsziel für einen Schulaustausch finden, dabei die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten recherchieren und ein Missverständnis ausräumen, das in den Test "eingebaut" war.