Pisa-Finanztest:Ganz schön doof

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Mit Geldangelegenheiten kennen sich die wenigsten Jugendlichen aus, das zeigt ein Zusatz-Test zur Pisa-Studie. Kritiker beklagen, deutsche Schüler würden nicht aufs Wirtschaftsleben vorbereitet.

Von Johann Osel, München

Einer von sieben Schülern hat Probleme damit, selbst simpelste Kaufentscheidungen zu treffen. Das zeigt ein am Mittwoch veröffentlichter Zusatz zur Pisa-Studie über das Finanzwissen von 15-Jährigen. Getestet wurde etwa, ob Jugendliche Rechnungen lesen und Bankauszüge verstehen, die Kosten eines Kredits erfassen oder Wucher beim Versandporto erkennen können. Das ist aber nur das Ergebnis für die 18 Staaten und Regionen, die bei den Finanz-Tests der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mitgemacht haben. Beim klassischen Pisa-Test für Mathe und Lesen gab es 68 Teilnehmer. Auch Deutschland hat sich nicht beteiligt. Das ruft Kritik hervor.

"Unser Land ist leider durch eine grundsätzliche Feindlichkeit gegenüber allem geprägt, was nach Wirtschaft riecht. Deshalb überrascht es uns nicht, dass Deutschland sich dieser Studie entzieht", sagte Christian Wewezow, Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Deutschland, der Süddeutschen Zeitung. "Dadurch, dass wir in der Schule schöne heile Welt spielen, bereiten wir die Schüler nicht darauf vor, auf Augenhöhe am Wirtschaftsleben teilzunehmen." Ebenfalls Kritik übte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken Michael Kemmer: "Gerade in Deutschland wäre ein Impuls für die gesellschaftliche Debatte über eine bessere Wirtschaftsbildung dringend nötig." So gebe es Hinweise "auf gravierende Defizite".

"Finanzwissen nicht Teil des Lehrplans"

In der Jugendstudie seines Verbands hätten nur die Hälfte der befragten 14- und 24-Jährigen angegeben, sich mit Geldangelegenheiten auszukennen, bei Börsenfragen noch weniger. Der Verband der privaten Banken fordert flächendeckend ein Schulfach Wirtschaft. Auch OECD-Generalsekretär Ángel Gurría rügte die Nichtteilnehmer indirekt. "Die Entwicklung von Finanzkompetenz ist entscheidend, weil Menschen künftig wesentlich früher Entscheidungen treffen müssen, die ihre Zukunft beeinflussen", sagte er. Viele Regierungen hätten das erkannt; andere nicht, muss man sich hinzudenken.

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:Das müssen Schüler zum Thema Finanzen wissen

Eine Rechnung richtig deuten oder Kredite miteinander vergleichen: In einem Pisa-Zusatz-Test wurde das Finanzwissen 15-Jähriger abgefragt. Hätten Sie die Aufgaben bewältigen können?

In Kreisen der Kultusministerkonferenz (KMK) hieß es, man habe wegen der Mehrbelastungen für Schulen die Teilnahme ausgeschlagen. Für die Finanz-Prüfungen hätte die Testzeit bei der letzten Pisa-Runde, deren Ergebnisse im Dezember erschienen sind, ausgeweitet müssen. Als 2010 die Finanz-Tests geplant wurden, habe zudem das Konzept Mängel gehabt. Laut der Zeitung Die Welt wird von der Bildungspolitik auch vorgebracht, dass "Finanzwissen nicht Teil des Lehrplans" sei.

Dies könnte sich mittelfristig ändern. Im Juni traf sich die KMK mit den Verbraucherschutzministern der Länder. Man prüfe alle Bildungspläne "im Hinblick auf eine angemessene Behandlung von Konsumentscheidungen im Unterricht", hieß es, genannt wurden Finanzen, Ernährung, Medien und nachhaltiger Konsum. Angst vor einem deutschen Debakel beim Finanz-Test hätte die Politik aber kaum haben müssen.

Bei der Pisa-Hauptstudie hatten die Schüler zuletzt in allen Bereichen den OECD-Schnitt übertroffen. In Ländern mit guten Mathe-Resultaten ist laut der Zusatzstudie auch das Finanzverständnis besser. Vorne landeten bei dem Test Shanghai, Flämisch-Belgien, Estland und Australien. Auf den hinteren Plätzen die Slowakei, Italien und Kolumbien.

© SZ vom 11.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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