Süddeutsche Zeitung

Online-Knigge für Studenten:Hallo Prof, wollen wir Freunde sein?

Darf man sich mit dem Dozenten bei Facebook befreunden? Und worauf ist im E-Mail-Verkehr mit dem Professor unbedingt zu achten? Wie Studenten die schlimmsten Fettnäpfchen im Netz umgehen.

Von Violetta Hagen

Studenten im Wintersemester 2014/15 sind in der Regel digital natives, aufgewachsen und zu Hause im Netz. Trotzdem betreten sie auf dem Campus Neuland - meist ohne es zu merken. Mit ein paar einfachen Regeln lässt sich verhindern, dass der Prof vergrault oder der nahende Berufseinstieg vermiest wird.

Die sechs Situationen mit dem größten digitalen Pannenpotenzial und wie sie sich meistern lassen: ein Online-Knigge für Studenten.

1. "Prof. Mustermann hat ihre Freundschaftsanfrage abgelehnt"

Jeder kennt ihn - den ewig jungen Dozenten. Meist bastelt er in einem abgelegenen Kämmerchen des Lehrstuhls an seiner Diss oder Habil. Er ist ein Verfechter von Gruppenarbeit und offenen Diskussionen und wird nur sauer, wenn man ihn siezt. Nach einem entspannten Pläuschchen auf der Semesterabschlussparty ist dieser Dozent reif für die Facebook-Freundschaft, oder?

Dozentin und Buchautorin Martina Dressel lehnt Freundschaftsanfragen an Dozenten nicht kategorisch ab, rät aber zur Vorsicht: "Facebook ist und bleibt ein sehr privates Netzwerk. Wenn Studenten ihrem Dozenten dort eine Einladung schicken, ähnelt das einer Einladung zu einer Privatparty. Da muss man sich fragen: Passt mein Dozent in ein solches Umfeld? Fühlt er sich dort wohl?" Erst wenn man diese Fragen mit "Ja" beantworten könne, sollte man seinem Dozenten eine Freundschaftsanfrage schicken.

Hilfreich sei eine Facebook-Freundschaft mit dem Dozenten aber nicht, meint Dressler: "Wenn man ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem Dozenten aufbauen will, macht es viel mehr Sinn, das direkte Gespräch zu suchen und zum Beispiel Interesse an seinem Fachgebiet zu bekunden. So bleibt man viel eher in Erinnerung", sagt die Autorin.

Und wenn der Professor der Studentin eine Freundschaftsanfrage sendet? "Dann sollte sie sich fragen: Fühle ich mich mit dieser Entscheidung wohl? Wenn sie dabei ein ungutes Bauchgefühl hat, sollte sie es lassen", rät Martina Dressel. Schließlich bleibt auch die Möglichkeit, den lästigen Prof in eine eingeschränkte Freundesliste einzuordnen, in der er nur explizit öffentliche Inhalte des Profils zu sehen bekommt.

2. "Servus Prof"

Im Keller-Büro wuseln die Hiwis, im Vorzimmer regelt die Sekretärin den Einlass und hinter dem großen Eichenschreibtisch thront der Prof: Viele Studenten treffen an der Uni das erste Mal auf ein hierarchisch organisiertes System. Das sorgt bei manchem Erstsemester-Studenten für Verwirrung und Unsicherheiten - vor allem im formalen E-Mail-Verkehr mit dem Professor. Denn im Gegensatz zum ehemaligen Klassenlehrer kennt der nicht alle Studenten und legt im Zweifelsfall mehr Wert auf Formalitäten.

Dabei reicht es aus, ein paar einfache Regeln zu beachten. Ein schlichtes "Hallo!" ist in der Anrede ebenso falsch, wie das simple "Guten Tag Herr Müller". "Der Titel gehört in die Anrede", sagt Dressel. "'Sehr geehrter Herr Prof. Mustermann' ist die richtige Ansprache." Geht der Dozent in seinen E-Mails zu "Liebe/Lieber" über, kann man sich aber ruhig anpassen.

Martina Dressel rät dazu, immer die Betreffzeile der E-Mail auszufüllen: "Viele Menschen überfliegen nur schnell den Betreff ihrer E-Mails. Gerade, wer ein dringendes Anliegen hat, sollte diese Zeile unbedingt ausfüllen."

Ein weiterer Fehler vieler Studenten sind zu kurzfristige Anfragen: "Sie sollten ihrem Dozenten immer mindestens einen Werktag für die Antwort einräumen. Wer noch am selben Tag eine Antwort einfordert, wirkt unorganisiert und zollt seinem Dozenten wenig Respekt."

Dressel rät Studenten auch, ihre Nachrichten von einer seriösen E-Mail-Adresse zu verschicken: Eine Mail von HasiBussi92@web.de oder Weltvernichter@gmx.de könne einen schlechten Eindruck beim Dozenten hinterlassen.

Ein weiteres Minus für die Dozentin: studentische Romane. "Es ist auch ein Zeichen des Respekts, wenn ich klare kurze Sätze schreibe und mein Anliegen sofort auf den Punkt bringe."

3. "Rolling on the Mensafloor laughing"

Eine weitere Selbstverständlichkeit der studentischen Kommunikation sind Abkürzungen und Smileys, die das eigene Stimmungsbild wiedergeben. Was im privaten Umgang selbstverständlich ist, kann für den Professor völlig fehl am Platz sein - selbst wenn er weiß, was mit "lol" und "rofl" gemeint ist.

"Smileys oder derartige Abkürzungen sollen ja den Witz oder die Ironie einer Aussage verdeutlichen. E-Mails an den Dozenten sollten aber immer so klar formuliert sein, dass es unnötig ist, sie auf diese Art und Weise zu entschärfen", sagt Martina Dressel.

Eleonore Michel vom Studierenden Service Center der Uni Düsseldorf appelliert an die Intuition der Studenten: "Wenn man einen Brief an seine Krankenkasse schreibt, weiß man ja auch instinktiv. Hier ist ein Smiley fehl am Platz."

Einzige Ausnahme: Wenn der Dozent selbst auf Smileys und Abkürzungen zurückgreift.

4. Fremdsurfen in der Vorlesung

Der aufgeklappte Laptop kann in einer langweiligen Vorlesung zum Fremdsurfen verführen. Für den studentischen Wunsch nach Zerstreuung hat Dozentin Martina Dressel eine Erklärung: "Unser Gehirn kann pro Minute 600 Worte verarbeiten. Sind es deutlich weniger, neigen wir dazu, uns zu langweilen." Die Vorstellung, der Student könne sich faul zurücklehnen, während sich der Dozent vor der Tafel verausgabt, ist falsch: "Aktives Zuhören fordert mehr Energie als freies Sprechen."

Ein Freischein zum Fremdsurfen sei das aber nicht: Die Hirnforschung zeige nämlich auch: "Multitasking tut dem Gehirn nicht gut. Am besten entwickelt es sich, wenn wir uns auf eine Aufgabe konzentrieren."

Außerdem liegen viele Studenten falsch, wenn sie meinen, das Fremdsurfen bleibe dem Dozenten verborgen. Dressler und Michel sind sich einig: Fast jeder Professor bemerke es, wenn der eigene Vortrag an einer Laptop-Wand abpralle. "Das ist ein schlimmes Gefühl, wenn man immer wieder den Ball ins Publikum wirft und niemand wirft ihn zurück", sagt Dressler.

5. Jugendsünden gezielt verdrängen

Sich halbnackt mit seinen Saufkumpanen ablichten und dieses Bild online stellen - das ist mit 21 Jahren nicht ratsamer als mit 15. Der einzige Unterschied: Der Moment, in dem ein Personaler über die eine oder andere Jugendsünde im Netz stolpern könnte, ist mit dem Studium in greifbare Nähe gerückt.

Sven-Olaf Peeck rät Studenten daher, den eigenen Namen regelmäßig zu googeln. "Es ist wichtig, seinen Namen im Netz halbwegs unter Kontrolle zu halten", sagt der Online-Marketing-Berater. Wer auf ein negatives Suchergebnis stößt, kann dieses zumindest aus den Topthemen verdrängen. "Twitter, Xing, Linked-in oder about.me tauchen bei den Google-Suchergebnissen immer oben auf. Daher kann es helfen, sich bei solchen Plattformen anzumelden."

Ein Profil bei Xing legt Peeck Studenten generell ans Herz. "Mediziner brauchen so etwas vielleicht nicht - da läuft die Jobsuche meist anders ab. Aber für viele andere Studienfächer macht das sehr viel Sinn." Es müsse nicht gleich ein Jobangebot dabei herausspringen - vielleicht aber die Möglichkeit, die Abschlussarbeit in einem Unternehmen zu schreiben. Und mancher Kontakt aus dem Praktikum zahle sich erst viel später aus.

Wer genau weiß, wo er beruflich hinwill, kann laut Peeck auch schon zu Studienzeiten gezieltes Selbstbranding betreiben - indem er etwa einen Blog aufbaut. Dazu rät auch der Personalreferent Stefan Nette von der Online Marketing Solutions AG: "Ein gut gepflegter Blog über ein bestimmtes Interessensgebiet zeigt mir, dass der Bewerber engagiert ist und während des Studiums über den Tellerrand hinausschaut."

6. "Dieser Tyrann!"

Frauenfeindliche Witze in der Vorlesung, Berge neuen Stoffs kurz vor der Klausur oder eine unfaire Note für das Referat: So macht sich ein Professor schnell Feinde unter den Studenten. Und die machen ihrem Dozenten-Frust auch jenseits von Mensa, Kneipe und Wohnheim Luft. Im Internet können sie ohne Angst vor Konsequenzen ihren Dozenten miese Bewertungen erteilen - Portale wie meinprof.de machen es möglich. Eine kluge Strategie, um Dampf abzulassen?

"Kritik soll zuerst die Chance geben, Verhalten zu verbessern. Das funktioniert nicht, wenn man die Person an den Pranger stellt", meint Martina Dressel. Ein Gespräch mit dem Dozenten sollte daher an erster Stelle stehen. Viele Studenten argumentieren, dass sie mit einer schlechten Bewertung ahnungslose Erstsemester vorwarnen wollen. "Aber würden die nicht mehr davon profitieren, wenn mal jemand versucht, den Dozenten auf seine Fehler anzusprechen?"

Wer sich vor der direkten Konfrontation mit dem Dozenten fürchtet, kann auch den Weg über die Fachschaft wählen, sagt Eleonore Michel von der Uni Düsseldorf. "Die Studenten dort haben meist Erfahrung mit solchen Situationen und können vermitteln."

Wenn schon Kritik im Internet, dann wenigstens sachlich, fordert Martina Dressel. "Das heißt, man sollte nicht zu stark werten, sondern die Fakten für sich sprechen lassen. Der Student sollte also nicht schreiben: Dieser Tyrann!, sondern den schlechten Notenspiegel der Klausur wiedergeben, über den er sich ärgert."

7. Wenn das Smartphone leise surrt

Nicht nur die Laptop-Front macht Dozenten im Hörsaal zu schaffen. Dieselbe Ablenkung bietet inzwischen das Smartphone. Auch hier gilt: Von seiner Position vor der Tafel sieht der Dozent oft mehr, als die Studenten denken. "Es kann gut sein, dass ein Dozent sich mal jemanden herausgreift, um das zu unterbinden", warnt Eleonore Michel. Dozentin Martina Dressel hat dagegen kapituliert: "Ich nehme das nicht mehr wichtig. Mich stören sie damit nicht - aber sich und die anderen."

Als Faustregel gilt in jedem Fall: Während der Vorlesung muss das Handy lautlos und in der Prüfung ganz abgeschaltet sein. Vor allem bei Klausuren kann ein eingeschaltetes Smartphone für Ärger sorgen.

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