Neue Leitung für Odenwaldschule:Kandidat mit Erfahrungen in "Konfliktmanagement" gesucht

Odenwaldschule feuert leitende Mitarbeiter

Von wegen Idylle: Die Negativ-Schlagzeilen um die Odenwaldschule in Hessen wollen nicht abreißen.

(Foto: dpa)

Wer sich hier bewirbt, muss eine echte Frohnatur sein: Die skandalgebeutelte Odenwaldschule sucht eine neue Leitung. Den künftigen Schulleiter erwarten schwierige Diskussionen, Machtspiele - und Seilschaften im Trägerverein.

Von Tanjev Schultz

Im Stellenangebot steht: "Wir bieten eine lebendige Schule." So kann man das auch nennen. Nach internen Querelen sucht die Odenwaldschule eine neue Leitung. Vor ein paar Wochen hatte der Trägerverein des privaten Internats kurzerhand beschlossen, den Direktor, die Internatsleiterin und den Geschäftsführer auszutauschen. Kritiker bezweifeln, dass der Beschluss ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Nun hat der Verein offenbar nachgelegt: Schulleiter Siegfried Däschler-Seiler soll eine fristlose Kündigung erhalten haben. Eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht könnte folgen. Für eine Stellungnahme war die Schule nicht zu erreichen.

Nachdem vor vier Jahren bekannt wurde, dass in früheren Zeiten mehr als 100 Schüler missbraucht worden waren, wechselten mehrmals die Verantwortlichen. Das Gremien-Geflecht der Schule ist berüchtigt für schwierige Diskussionen und Machtspiele. Vom neuen Schulleiter erwartet man laut Ausschreibung unter anderem "hohe kommunikative Kompetenz" und Erfahrungen in "Konfliktmanagement". Ohne sie wird der oder die Neue nicht bestehen können.

Eigentlich brachte bereits Däschler-Seiler solche Fähigkeiten mit. Eltern und Schüler sollen auch überwiegend sehr gut mit ihm ausgekommen sein. Er verstand es außerdem, auf die Opfer der sexuellen Übergriffe zuzugehen. Er verhalte sich "offen und ehrlich", lobt der Opferverein Glasbrechen. Gerade diese Offenheit könnte Däschler-Seiler allerdings zum Verhängnis geworden sein. Glasbrechen spricht von "Seilschaften" im Trägerverein.

Kommunikative Kompetenz: mangelhaft

Manch einer sieht nun keinen Sinn mehr darin, sich in diesen Strukturen für die Schule einzusetzen. Der Publizist und ehemalige Odenwaldschüler Tilman Jens teilte dem Vorsitzenden Gerhard Herbert vor Kurzem mit, er trete aus dem Trägerverein aus. Herbert ist ein Kommunalpolitiker der SPD, er war mal Bürgermeister im hessischen Heppenheim. Dort liegt die Schule abgeschieden in einem Tal.

Die kommunikative Kompetenz, die jetzt von einer neuen Schulleitung gewünscht wird, sucht man derzeit im Schulverein vergeblich. Auf Anfragen reagierten seit Wochen weder Herbert noch die Pressesprecherin der Schule.

Als Direktor Däschler-Seiler in diesem Jahr die Abiturienten verabschiedete, zitierte er Rosa Luxemburg. Sie hatte einer Freundin geschrieben, die Hauptsache sei, "dass du Mensch bleibst". Man solle heiter sein, "ja heiter, trotz alledem".

Wer sich auf die ausgeschriebene Stelle bewirbt, muss wohl auch eine echte Frohnatur sein.

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