Neue Kolumne "Der Referendar":Geisterbahn "Ref"

Kolumne "Der Referendar"

Wer hat Angst vor dem ersten Schultag? Referendar Pascal Grün hätte auf jeden Fall Grund dazu.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

Feriengeil, überfordert, von Zukunftsängsten geplagt. So weit die Klischees über Junglehrer. Bei uns spricht Referendar Pascal Grün Klartext. Folge eins: Horrorgeschichten übers "Ref" - von Versetzung ins Kaff bis fieser Seminarlehrer.

Mein Name ist Pascal Grün, 27 Jahre alt. Hobbys: Joggen, Wandern, Kochen (und Essen), Fußball (die passive Variante). Sie kennen mich vielleicht schon aus den Erzählungen Ihrer Kinder. Ich bin der, über den sie abfällig sagen, er sei ja "gar kein richtiger Lehrer" - ich bin Referendar. Oder besser, ich werde es sein, von kommender Woche an werde ich an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch unterrichten.

Auch Nicht-Eltern sind mir möglicherweise schon begegnet. Ich bin auch der, dem wahlweise vorgeworfen wird, er sei nur Lehrer geworden, weil ihm nichts Besseres einfiel (okay, stimmt ein bisschen) - oder wegen der vielen Ferien (jetzt mal ernsthaft: wer fände das nicht toll?). Über mich wird gesagt, dass mich das Studium nicht richtig auf den Joballtag vorbereite und ich am ersten Schultag merke, dass die vergangenen fünf Jahre für die Tonne waren. Und selbst wenn ich das zweijährige Referendariat durchhalte, sollen meine Zukunftsaussichten schlecht sein.

Soweit die Klischees. In den kommenden Wochen und Monaten werde ich erleben, was davon wirklich wahr ist - und was vielleicht noch viel schlimmer. Und Sie können mich begleiten, in diesem Blog werde ich über mein erstes Schuljahr berichten. Damit wir die gleichen Startbedingungen haben: Nehmen Sie Platz in der "Geisterbahn Ref" - fünf Horrorgeschichten, die man sich unter Referendaren erzählt.

1) Die Versetzung

Natürlich ist jedem klar, dass es theoretisch zum - sagen wir - Berufsrisiko eines Lehrers gehört, irgendwann in seiner Laufbahn versetzt zu werden. Die Gefahr ist aber nie mehr so groß wie im Referendariat. Der Worst Case: zwei Jahre, vier Schulhalbjahre, immer eine andere Schule, immer ein anderer Ort - und wenn's ganz dumm läuft, ist der am AdW*.

So weit wie jetzt erschienen einem die Achsen Lindau-Hof und Aschaffenburg-Berchtesgaden noch nie. Ohnmächtig wartet man auf den Bescheid vom Ministerium, mal manisch, mal depressiv. Wohl dem, der in dieser Zeit moralische Unterstützung von der Familie bekommt. Zitat meines Bruders: "Das will ich sehen, wie du mit deinen Styler-Stiefeln über den verschneiten Kartoffelacker zur Schule stapfst!"

2) Der Seminarlehrer

Der Seminarlehrer ist die Person, mit der alles steht und fällt, die über das Schicksal und die berufliche Zukunft eines Referendars mitentscheidet. Er taucht unangekündigt zu Unterrichtsbesuchen auf, und wenn man Pech hat, stellt er einen vor der ganzen Schulklasse bloß. Außerdem bewertet er die Lehrproben (dazu in Zukunft mehr).

*Arsch der Welt

Von Arschkriecherei bis Anschwärzen

Bereits im Studium kursieren Geschichten von schrecklichen Seminarlehrern, die die Referendare zu Knechten machen und keine anderen Ansichten und Methoden als die eigenen dulden. Die Schauergeschichten reichen von verdeckter Schikane über offenes Mobbing bis hin zu Fällen, in denen der Seminarlehrer den Referendar derart erniedrigt, bis dieser das Referendariat abbricht, um sein Glück bei einem Taxiunternehmen oder im Supermarkt um die Ecke zu finden.

3) Die Kollegen (=andere Referendare)

Anstatt an einem Strang zu ziehen, um sich in freier Wildbahn besser gegen Fressfeinde wie Direktoren, Seminarlehrer, Schüler und Eltern behaupten zu können, zerfleischen sich Junglehrer dem Hörensagen nach in kannibalischer Manier gegenseitig. Von Arschkriecherei bis Anschwärzen ist im erbitterten Kampf um eine spätere Festanstellung beziehungsweise Verbeamtung jedes Mittel recht. Frei nach Kurt Tucholsky: "Man fällt nicht über seine Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diese Fehler ausnutzen."

4) Die Schüler

Die wenigsten Referendare sind von Tag eins an die Souveränität in Person. Und besonders Jugendliche können gnadenlos sein, umso mehr, wenn sie Schwächen beim Gegenüber feststellen. Da wird die gehbehinderte Junglehrerin als "Humpelstilzchen" bezeichnet, der leichte Sprachfehler des Referendars übertrieben nachgeahmt oder seine Anwesenheit von der gesamten Klasse einfach ignoriert.

Die schlimmste Schülergeschichte, die ich bisher gehört habe: Eine Mittelstufenschülerin war mit ihrer Benotung unzufrieden und beschwerte sich beim Referendar. Als der Kollege hart blieb, drohte sie ihm: "Dann sage ich meinem Vater eben, Sie hätten mich angefasst!" Der Fall ging glimpflich aus, weil ein Mitschüler Zeuge des Erpressungsversuchs wurde und für den Referendar eintrat. Auch wenn ich bisher fast durchweg positive Erfahrungen mit Schülern gemacht habe - sowas macht Angst.

5) Die Eltern

Es ist naiv, davon auszugehen, die Eltern würden einen im Erziehungs- und Bildungsauftrag unterstützen. Häufig ist das Gegenteil der Fall: Sie gehen automatisch in Verteidigungshaltung und wollen das Kind vor jedem kritischen Wort schützen. Schuld am schulischen Misserfolg ist nicht der Schüler. Schuld sind die Tabletten gegen ADHS (nicht richtig eingestellt), die Mitschüler (vor allem dieser Leon), das G8 (ein bildungspolitischer Skandal), das "System" im Allgemeinen. Allen voran natürlich die Lehrer - und ganz besonders der Referendar, der dem Schulalltag überhaupt nicht gewachsen sei und die Schüler durch seine eigene Unsicherheit vollkommen verunsichere.

O-Ton einer Mutter, mit der es eine ehemalige Kommilitonin im Ref vor den Sommerferien zu tun bekam: "Ich will Sie jetzt nicht beleidigen - aber sind Sie sicher, dass Sie im richtigen Beruf sind!?"

Wir werden sehen.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

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