Nebenjobs in Berlin:Popcornmaschine im Büro

Contini of Italy works in the office of the HowDo start-up at the Wostel co-working space in Berlin

Start-ups in Berlin: Viele Studierende suchen sich einen Nebenjob in einem jungen Unternehmen

(Foto: REUTERS)

In Berlin boomt die Start-up-Szene. Flexible Arbeitszeiten, Tischfußball, junge Teams - klingt nach besten Bedingungen für Studierende. Allerdings: Ein Job in einem Start-up verlangt Werkstudenten einiges ab. Fünf junge Berliner berichten.

Protokolle von Karin Janker

Während Studierende anderswo als Werkstudenten am Fließband schuften oder sich mit Kellnern über Wasser halten, herrschen in Berlin gute Voraussetzungen, erste Berufserfahrung in einem Start-up zu sammeln. Berlin ist die Hauptstadt der Gründer. Nirgendwo in Deutschland wächst die Szene so schnell wie hier. Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge könnte sich Berlin zur führenden Gründermetropole in Europa entwickeln, bis 2020 könnten demnach mehr als 100 000 neue Arbeitsplätze durch Start-ups entstehen. Eigentlich gute Bedingungen für Studenten.

Allerdings ist ein Studentenjob im Start-up alles andere als bezahlter Spaß am Büro-Kicker: Solche jungen Unternehmen kalkulieren knapp und zahlen deshalb oft weniger Geld. Gleichzeitig ist die Verantwortung bereits für Werkstudenten und Berufsanfänger groß. Fünf junge Menschen aus der Berliner Start-up-Szene berichten von ihren Erfahrungen.

Annemarie, 28 Jahre

Studium: im ersten Master-Semester "Business Management Marketing"

Job: Werkstudentin beim Berliner Start-up "Dreamflat", einer kostenlosen Wohnungsbörse, die in Berlin außerdem "Roommate-Partys" anbietet

Aufgaben: zuständig für den Social-Media-Auftritt, Kontrolle von unseriösen Angeboten

"Den Job habe ich bekommen, weil ich einen der Gründer des Start-ups über ein paar Ecken kenne. Neben dem Geld, das ich hier verdiene, bringt mir der Job vor allem Berufserfahrung. Über das Thema Online-Marketing habe ich auch meine Bachelorarbeit geschrieben. Der große Vorteil bei einem Start-Up: Ich kann mir meine Arbeitszeit flexibel einteilen und sogar meine Hündin mit ins Büro nehmen. Gerade für Studenten ohne Arbeitserfahrung kann ein Job im Start-up gut sein, weil sie hier nicht auf starre Hierarchien treffen und einen angenehmen Arbeitsalltag kennenlernen."

Julian, 25 Jahre

Studium: Bachelor Wirtschaftsinformatik, 2011 abgeschlossen

Job: Gründer und Geschäftsführer des Start-ups "99chairs", das online kostenlos Wohnkonzepte erstellt

Aufgaben: Unternehmensziele definieren, Chef sein und entscheiden (zusammen mit seinem Mit-Gründer)

"Statt nach Stellen zu suchen, habe ich mir meinen Job einfach selbst verschafft und ein Start-up gegründet. Seitdem ist meine Lernkurve steil angestiegen. Ich kann meine Ideen verwirklichen und habe gleichzeitig die Freiheit, Dinge nicht tun zu müssen. Das Risiko ist natürlich hoch: Genauso schnell wie nach oben kann es mit dem Unternehmen auch wieder bergab gehen. Als Teil des erweiterten Gründerteams eines anderen Start-ups habe ich das selbst schon einmal miterlebt und erfahren, wie schnell es vorbei sein kann: Ein neuer Eigentümer kam und hat die Gründer gefeuert."

"Man muss sich innerhalb kürzester Zeit beweisen"

Hanna, 28 Jahre

Studium: Kultur und Medien, abgeschlossen 2013

Job: Werkstudentin beim Internet-Versandhändler Zalando (inzwischen neuer Job in einem Online-Auktionshaus)

Aufgaben: Produktbeschreibungen erstellen und Online-Inhalte verwalten

"Für den Studentenjob bei Zalando habe ich mich über eine Stellenausschreibung beworben. Es war eine spannende Erfahrung, die Aufbauphase eines Unternehmens mitzuerleben. Vermutlich hat mir diese Erfahrung auch bei der Bewerbung für meinen heutigen Job geholfen, da ich bereits Start-up-Erfahrung mitgebracht habe. In einem neu gegründeten Unternehmen ist noch nicht alles festgefahren, da gibt es ständig Veränderungen. Es ist mir auch schon passiert, dass ich eine Woche in Urlaub war und danach manche Prozesse umgestellt waren und ich mich teilweise neu einarbeiten musste. Für Studenten ist ein Nebenjob in einem Start-up empfehlenswert - man hat gute Aufstiegschancen. Außerdem sind die flexiblen Arbeitszeiten oft gut mit dem Stundenplan zu vereinbaren. Die Unsicherheit, dass Verträge oft nur sehr kurzfristig verlängert werden, ist nicht immer angenehm, aber man lernt, damit umzugehen."

Susanne, 25 Jahre, und Pratyay, 24 Jahre

Studium: Susanne: Geographie, Kommunikationswissenschaften und BWL, Pratyay: im vierten Master-Semester "Business Informatics"

Job: Berufsanfängerin bzw. Werkstudent beim Tech-Start-up "Inventorum", das eine Kassen-App für den Einzelhandel entwickelt hat

Aufgaben: Susanne arbeitet in der Kundenbetreuung, Pratyay sucht Fehler in der App

Susanne:

"Bei meinem heutigen Arbeitgeber habe ich zuerst nur für einen Sommer gejobbt. Inzwischen arbeite ich fest hier. Mir gefällt es, dass ich - obwohl ich Berufsanfängerin bin - ernst genommen werde und Verantwortung übernehmen darf. Ich führe inzwischen sogar Bewerbungsgespräche! Alle meine Kollegen sind jung und wir verstehen uns so gut, dass wir auch öfter etwas gemeinsam unternehmen. Das ist für mich vielleicht sogar das wichtigste Argument, bei einem Start-up zu arbeiten. Wir haben auch eine Popcorn-Maschine und einen Kicker im Büro. Ein Nachteil, den man in Kauf nehmen muss: Unser Büro ist ziemlich voll und auch Überstunden gehören natürlich dazu, wenn man ein Produkt von Anfang an mitgestalten möchte."

Pratyay:

"Der größte Vorteil eines Nebenjobs in einem Start-up: Man lernt jeden Tag etwas Neues. Ursprünglich arbeitete ich mit Linux-Servern, dann habe QA, also die technische Fehlersuche, gelernt und inzwischen versuche ich mich am Produktdesign. Vieles funktioniert nach dem Prinzip Try-and-Error, aber zumindest muss man es versuchen. In Berlin gibt es eine Menge Start-ups und es werden immer mehr - eine gute Chance für Studenten, Erfahrungen zu sammeln. Man kann hier lernen, Entscheidungen zu treffen. Allerdings ist in einem Start-up der Druck auf die Mitarbeiter auch besonders hoch: Man muss sich innerhalb kürzester Zeit beweisen. Für mich persönlich die beste Erfahrung war, dass ich in meinem Nebenjob Englisch sprechen kann. Ich komme aus Indien und mein Deutsch ist noch nicht so gut, trotzdem haben sie mich eingestellt."

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