Nebenberufliches MBA-Studium:Karriere auf der Überholspur

Weiter arbeiten, weiter aufsteigen, weiter Geld verdienen und Neues lernen - immer mehr aufstrebende Angestellte wollen genau das. Seit Jahren erfreut sich das nebenberufliche MBA-Studium wachsenden Zuspruchs - denn es droht kein Karriereknick. Und die Arbeitgeber haben auch etwas davon.

Christine Demmer

Was andere erst mit dem MBA-Abschluss anstreben - eine Stufe höher auf der Karrieretreppe -, hat Lars Wulfken schon während seines Studiums geschafft. Vor ein paar Monaten wurde er von seinem Arbeitgeber Adobe zum Produktmanager befördert. Dabei hat er seine Master-Arbeit gerade erst abgegeben und wird, wenn alles gut geht, in einigen Wochen seine Urkunde bekommen. Ein richtiger Master of Business Administration ist Wulfken also noch nicht, aber schon Manager. Und wer weiß, was noch auf ihn wartet.

MBA neben dem Studium

Wer einen MBA machen will, muss nicht zwangsläufig vom Berufsleben pausieren.

(Foto: REUTERS)

Seinen beruflichen Aufstieg mitten im Steilflug abzubrechen, wäre dem 36-Jährigen aus Hamburg schwergefallen. Auf Freizeit zu verzichten, schien ihm das kleinere Übel zu sein. Deshalb entschied sich Wulfken, ein gelernter Ingenieur, für ein berufsbegleitendes MBA-Studium. Seine Überlegung: "Wenn ich für 18 Monaten aus der Firma rausgehe, kann das die Karriere beeinträchtigen. Ich hatte ja gute Aussichten, ich wusste, ich kann höher kommen." Und dann war da noch dieser Gedanke: "Wenn ich nebenberuflich studiere, kann ich das, was ich lerne, direkt im Beruf anwenden."

Nicht schlecht gedacht, und vor allem: Im Trend gedacht. Seit Jahren erfreut sich das nebenberufliche MBA-Studium wachsenden Zuspruchs seitens der Studenten. "Je höher das im Beruf erreichte Karrierelevel, desto klarer ist die Präferenz für Teilzeit-Studiengänge", heißt es in einer aktuellen Studie der Mannheim Business School. Mehr als 90 Prozent derjenigen, die schon im Top-Management angekommen sind, bevorzugen ein nebenberufliches Studium. Aber selbst zwei von fünf Berufseinsteigern mögen nicht mehr zurück in den Hörsaal, sondern alles gleichzeitig: weiter arbeiten, weiter aufsteigen, weiter Geld verdienen und Neues lernen, einen zweiten Hochschulabschluss erwerben und das berufliche Netzwerk erweitern.

Dass das berufsbegleitende Studium einen Reiz auf immer mehr Arbeitnehmer ausübt, weiß auch Tristan Sage von der Open University in London. Diese Business School hat, abgesehen von einigen sogenannten "Residential Schools", überhaupt keine Hörsäle. Der Unterricht in den Bachelor-, MBA- und Executive-Programmen findet im Internet statt, in Online-Lehrveranstaltungen und mit am Computer zu bearbeitenden Lernstoffen. "So bleiben die Leute voll im Beruf und können doch am Lernprozess teilnehmen", beschreibt Tristan Sage den Mehrwert, deshalb gebe es auch weder eine Mindest- noch eine Höchstteilnehmerzahl, ob zehn oder 200, dem Internet ist das egal.

Das Volumen und die Schwierigkeit des Lernstoffs seien auf Menschen abgestimmt, die neben dem Studium voll berufstätig sind, versichert der für Deutschland zuständige Brite. "Normalerweise kann ein Manager nicht mehr als fünf, sechs Stunden in der Woche für seine Weiterbildung aufbringen. Wir verlangen neun bis zehn Stunden, und mit Motivation und Organisation ist das zu schaffen." Tatsächlich sieht es so aus. Nach England ist Deutschland der zweitgrößte Markt für die Open University.

Eine andere Ursache für den anhaltenden Zustrom auf nebenberuflich zu absolvierende MBA-Programme liegt in der kräftigen Werbung der Arbeitgeber für diese Form der akademischen Weiterbildung. Denn so behalten sie ihre Mitarbeiter im Unternehmen und profitieren gleichzeitig von deren Bildungsmehrwert. Es zeugt daher weniger von Großzügigkeit als von Fairness, wenn sich ein Unternehmen an der Finanzierung des Studiums beteiligt. Auch bei den Studienkosten von Lars Wulfken hat Adobe etwas dazugetan.

Studium und Karriere

Vollzeit- und Teilzeit-MBA-Programme sind die klassischen Zugangswege zum begehrten Titel "Master of Business Administration". Beide erfordern ein Erststudium mit dem Abschluss Bachelor oder dem Auslaufmodell Diplom sowie im Anschluss daran eine ein- bis dreijährige Berufstätigkeit. Erst danach kann man sich bei einer Business School für ein 12- bis 15-monatiges Vollzeitstudium oder ein etwa doppelt so langes Teilzeitprogramm bewerben.

Manchen Jungakademikern erscheint die erzwungene Arbeitsphase überflüssig. Sie wollen zügig durchstudieren und betrachten die Zeit zwischen dem Bachelor- und dem Master-Studium als verloren. "Ganz im Gegenteil", argumentiert Volker Stößel von der Handelshochschule Leipzig (HHL), "die berufliche Praxis spielt eine wichtige Rolle im Unterricht. Die Dozenten und die Lerninhalte setzen voraus, dass die Studenten wissen, wie es in den Firmen zugeht, was Projekte sind, wie man mit Konflikten umgeht und wie Unternehmen geführt werden." Die Teilnehmer an den Parttime-Programmen der HHL bringen im Schnitt neun Jahre Berufserfahrung mit.

Etwa so viel hatte auch Lars Wulfken zu bieten, als er sich 2010 an der HHL einschrieb. Zwei Jahre lang begann für ihn jedes zweite Wochenende am Freitagabend mit einer Zugfahrt von Hamburg nach Leipzig und dem Check-In im Hotel. Am Samstag und Sonntag hörte er Vorlesungen, abends ging es zurück in die Hansestadt. "An den anderen Wochenenden habe ich Hausarbeiten geschrieben und Gruppenarbeiten gemacht", erzählt der Ingenieur, "und unter der Woche habe ich abends für das Studium gearbeitet."

Zeit fürs Fahrradfahren und seinen geliebten Segelsport blieb da kaum. Statt an zehn bis 15 Segelregatten im Jahr konnte er nur noch an dreien teilnehmen, und für Fahrradrennen hatte er überhaupt keine Zeit mehr. Während seine Kollegen in der Mittagspause Pläne für die Abende und Wochenenden schmiedeten, musste sich Wulfken entscheiden, ob es sinnvoller sei, Entscheidungstheorie zu büffeln oder Literatur für die Hausarbeit zu suchen.

Realistisch, wie er ist, hatte er sich das schon vor Studienbeginn so ausgemalt und Verständnis von seiner Freundin erbeten. "Bei einem Teilzeit-Studium muss man sich darauf einstellen", warnt Wulfken, "dass man seine Freizeit für zwei Jahre komplett anders gestalten, sogar weitgehend darauf verzichten muss. Man sollte sich gut überlegen, ob man das will."

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