Süddeutsche Zeitung

Nach Kinderporno-Ermittlungen gegen Lehrer:Odenwaldschule feuert komplette Leitungsriege

Das Präventionskonzept hat "versagt": Nach dem jüngsten Skandal um einen Lehrer wegen Besitzes von Kinderpornografie zieht der Trägerverein der Odenwaldschule radikal personelle Konsequenzen. Die Zukunft der Schule ist ungewiss - auch finanzielle Probleme soll es geben.

Von Tanjev Schultz

Die Schulferien waren an der Odenwaldschule zuletzt nur selten eine Phase der Ruhe. In Hessen, wo das private Internat abgeschieden in der Nähe von Heppenheim liegt, beginnen bald die Sommerferien. Und dann wird man eine komplett neue Schulleitung suchen müssen. Denn der Trägerverein hat beschlossen, die gesamte Leitung auszutauschen: Direktor, Geschäftsführer und Internatsleiterin.

Die Mitteilung kam überraschend, zum Teil wohl auch für die Betroffenen. Die Schule stehe jetzt, sagt Adrian Koerfer vom Opferverein "Glasbrechen", "kopf- und führungslos" da. Nach SZ-Informationen haben zudem die externen Ombudsleute, die den Schulbetrieb kontrollieren sollten, ihre Ämter niedergelegt. Auch die Stelle eines "Präventionsbeauftragten" ist vakant.

Die Gründe für die neuen Turbulenzen reichen zurück bis zu den Osterferien. Da war bekannt geworden, dass gegen einen Lehrer wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird. Das Präventionskonzept hatte "versagt", sagt ein Mitglied des Schulvereins. Mit einem Schlag brach alles wieder auf, es gab sogar Rufe, die Schule endlich zu schließen.

Erschreckende Schlagzeilen

Vor vier Jahren machte das einst als Leuchtturm der Reformpädagogik gerühmte Internat erschreckende Schlagzeilen: Es war herausgekommen, dass in früheren Jahren mindestens 132 Schüler Opfer sexueller Übergriffe geworden sein sollen. Mehrmals wechselten in der folgenden Zeit die Verantwortlichen an der Odenwaldschule.

In einer Mitteilung spricht sie nun von einem "konsequenten Neuanfang". Der Beteuerung schenke man keinen Glauben mehr, erklärte dagegen der Verein "Glasbrechen". Er bedauerte, dass Schulleiter Siegfried Däschler-Seiler gehen müsse. Er habe versucht, aus Fehlern zu lernen; bei Schülern und Eltern sei er beliebt gewesen.

Aus Kreisen der Schule ist zu vernehmen, dass es Spannungen zwischen dem Schulleiter und der Internatsleiterin gegeben habe. Zudem soll die finanzielle Situation an dem Internat sehr angespannt sein. Eine offizielle Stellungnahme dazu war vorerst nicht zu bekommen.

Die Aufsichtsbehörden erwarten von der Schule eine strikte personelle Trennung zwischen Unterricht und Internatsbetrieb. Ein entsprechendes Konzept der Internatsleiterin ist aber womöglich Makulatur.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2014/jobr
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