Studium:Berliner Professor per Watchblog überwacht

  • Der Berliner Politologe und Hochschullehrer Herfried Münkler wird in einem Watchblog heftig angegriffen. "Rassismus, Sexismus, Militarismus?", fragt die Webseite bezüglich Münklers Vorlesung.
  • Münkler versteht die Attacken als "asymmetrische Kampfführung" und vermutet Trotzkisten hinter den Bloggern.
  • Bei genauerer Betrachtung sind die Kommentare auf "Münkler-Watch" arm an Gedanken und voller Stereotypen.

Von Jens Bisky, Berlin

Am Dienstagvormittag schien die Berliner Humboldt-Universität auf ganz altmodische Art wieder ein öffentlicher Ort zu sein. Vor den Türen im Innenhof des Hauptgebäudes standen Berlinerinnen, diskutierten Zeitungsartikel; Studenten gaben Interviews; Journalisten suchten Plätze. Im schlecht gelüfteten Kinosaal sprach der Politologe Herfried Münkler zwecks Einführung in politische Theorien über "Souveränität und Infrastruktur der Macht".

Seine Vorlesung steht unter Verdacht. "Rassismus, Sexismus, Militarismus?", fragt der Blog "Münkler-Watch". Jede Woche bietet er eine Zusammenfassung plus kritischem "Kommentar frei gewählter Versatzstücke". Das Fragezeichen wandelt sich dabei rasch in ein Ausrufezeichen. Die Verfasser sind anonym, ihr Nom de guerre für Interviews ist "Caro Meyer". Seit Herfried Münkler in der vergangenen Woche die Blogger "erbärmlich" und "feige" nannte, gibt es einige Aufregung und öffentliche Aufmerksamkeit.

Von dieser profitiert in erster Linie Herfried Münkler. Er habe, sagte er zu Beginn der Vorlesung, viele positive Zuschriften erhalten, auch aus dem Auditorium. Seine Bücher verkaufen sich derzeit besser. Dabei waren, muss man hinzufügen, "Die neuen Kriege" (2002), "Die Deutschen und ihre Mythen" (2008) oder "Der Große Krieg" (2013) bereits vorher große Erfolge. Dann griff er die Streiflicht-Formulierung vom "Hausmeister" auf und verschärfte sie: "Blockwart" wäre zur Beschreibung der Blogger nicht schlecht. Das sei ein Beobachter, der Macht haben will, aus der hinteren Reihe agiert und hinterher nicht dabei gewesen sein will. Geht es nicht eine Nummer kleiner? Nun, Haltungsnoten sollte nur vergeben, wer einmal mit dem Vorwurf konfrontiert war, Militarist oder Rassist und sonst noch allerlei Übles zu sein.

Zustimmendes Pochen im Kinosaal

Alles zu lesen, auf die Unterstellungen zu reagieren, habe allzu viel Zeit gekostet, daher wolle er sich, so Münkler, ab heute nicht mehr mit "Münkler-Watch" beschäftigen. Zustimmendes Pochen im Kinosaal. Seine Strategie in der Auseinandersetzung erklärte er dann doch, und zwar so, dass man dabei etwas über den Nutzen der Politikwissenschaft für das Leben lernen konnte. Die Attacken versteht er als "asymmetrische Kampfführung". Wer keine eigenen Ressourcen besitzt, muss die der Gegenseite kapern: in diesem Falle etwa die Publizität, die mit der Humboldt-Uni und der Person Münklers verbunden ist. Er vermutet Trotzkisten hinter den Bloggern, die sich als Studierende des zweiten Semester camouflieren.

Die Blogger wollen unsichtbar bleiben. Auch das passt zur Logik asymmetrischer Kämpfe: mit minimalem eigenen Einsatz maximale Effekte erreichen. In einem Gespräch mit der Jungen Welt begründet "Caro Meyer" die Anonymität mit der Sorge um die Karriere: "Mit postadoleszenter Revoluzzerei wollen wir unsere Jobchancen nicht zusätzlich schmälern."

Ironie wird überhört, Gedankenexperimente verkürzt

Das widerspricht der Idee der Universität, die ein Raum herrschaftsfreier Kommunikation sein soll, in dem allein das bessere Argument zu gelten habe. Es widerspricht auch der bundesrepublikanischen Erfahrung, dass die schärfsten Revoluzzer später Minister werden. In diesem Auftreten mischen sich Aggressivität und Kleinmut auf eine geradezu Pegida-hafte Weise. Allerdings gehören ehrabschneidende Polemik, anonyme oder pseudonyme Rezensionen und moralische Anschwärzereien zur Geschichte der Wissenschaften.

"Wenn er gekonnt hätte, hätte er uns längst exmatrikuliert", sagt "Caro Meyer" der SZ. Dem "allgemeinen Konformitätsdruck" könne man sich nicht entziehen.

Ob nun anonym oder nicht, die Kommentare sind arm an Gedanken und voller Stereotypen. Münkler stört, weil sein Rat viel gesucht wird, auch von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Aber ist eine Politik wünschenswert, die auf Expertise verzichtet? Münkler soll als Beispiel herhalten für den "Extremismus der Mitte", ein verrohendes Bürgertum. Das zu belegen, identifizieren die Blogger seine Positionen mit denen der von ihm behandelten Autoren, wie Machiavelli und Carl Schmitt, überhören Ironie, verkürzen Gedankenexperimente. Immerhin: An diesem Dienstag, so "Caro Meyer", habe Münkler Klischees vermieden.

Anfang Mai erwog "Münkler-Watch", es wäre "vielleicht gut gewesen, wenn die deutschen Faschist_innen sich nicht nur im Kontext des sogenannten ,Röhm-Putsches' und des ,Staufenberg-Putsches' gegenseitig umgebracht hätten". Wer immer das im Schutz der Unbelangbarkeit geschrieben hat, wird sich eines Tages dafür schämen, dass er die Männer und Frauen des 20. Juli noch einmal angefreislert hat.

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