München (dpa/lby) - Die Zusammenarbeit von Eltern und Lehrern ist ein heißes Eisen. Immer wieder entstehen Konflikte. Das schade dem Lernerfolg und der Entwicklung der Kinder, kritisiert die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann - und fordert eine grundlegende Debatte über die „Erziehungspartnerschaft“ an Schulen. „Es ist verdammt schwer, mit einigen Eltern zusammenzuarbeiten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Gerade an den Grund- und Mittelschulen seien die Klassen immer unterschiedlicher zusammengesetzt. Kinder aus allen sozialen Milieus, mit und ohne Migrationshintergrund sowie unterschiedlicher Begabung würden gemeinsam unterrichtet. Viele Lehrer bräuchten deshalb mehr Zeit, um die Eltern einbinden zu können, so Fleischmann. In einer aktuellen Umfrage des BLLV, an der sich rund 700 Lehrer aller Schularten aus ganz Bayern beteiligten, wünschen sich dies 90 Prozent der Befragten. Mehr Zeit hierfür würde aber natürlich mehr Bedarf an Lehrkräften für Unterricht bedeuten und den Lehrermangel verschärfen.
Es handelt sich dabei zwar nicht um eine repräsentative Studie, weshalb die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf alle Lehrer in Bayern übertragbar sind, trotzdem zeichnet sich ein klares Stimmungsbild ab: Mit vielen Eltern sei die Zusammenarbeit kein Problem. Gleichzeitig gab eine Mehrheit der Befragten an, dass die Erwartungen der Eltern gestiegen seien, es heute mehr Konflikte gebe und insbesondere schlechte Noten immer wieder zu Diskussionen führten.
Das gehe in Extremfällen bis zu Drohungen in Elterngesprächen und Einschüchterung per Anwaltsschreiben, berichtete der Vorsitzende des Landesverbands Bayerischer Schulpsychologen, Hans-Joachim Röthlein. „Da ist das Tischtuch dann zerschnitten.“ Ihm zufolge fühlen sich viele Lehrer solchen Situationen nicht gewachsen und gehen in eine Abwehrhaltung. „Das ist Gift in der Beziehung“, sagte Röthlein.
Dazu komme, dass die Schule längst nicht mehr nur ein Ort ist, an dem Stoff vermittelt wird. Im Zuge eines gesellschaftlichen Wandels würden immer mehr Erziehungsaufgaben ins Klassenzimmer verlagert, sagte Röthlein. Dabei könnten die Lehrer - gerade bei Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen - Versäumnisse der Elternhäuser nur bedingt ausgleichen.
Dafür fehlten schlichtweg Zeit und Personal, kritisierte Fleischmann. Für die Lehrer sei der Spagat zwischen Eltern, die sich komplett abkoppeln und für die Schulen nicht erreichbar sind, und Papas und Mamas, die am liebsten auch im Unterricht neben ihrem Kind sitzen würden, kaum zu bewältigen. Laut Fleischmann bräuchte es dafür „multiprofessionelle Teams“ an den Schulen, in denen Lehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter Hand in Hand arbeiten.
Auch der Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands, Martin Löwe, sieht das hohe Konfliktpotenzial. „In der Schule arbeiten pädagogische Vollprofis, bei den Eltern ist Erziehung häufig Bauchsache“, erklärte er. Doch über diese unterschiedlichen Rollen werde zu wenig gesprochen - auch weil viele Elternbeiräte daran gar kein Interesse hätten. „Da ist die Organisation des Schulfest dann teilweise wichtiger“, so Löwe.
Die Idee der Erziehungspartnerschaft entstand ursprünglich Anfang der 2000er-Jahre mit ersten Schulversuchen. 2013 schaffte es der Begriff schließlich ins Erziehungs- und Unterrichtsgesetz, woraufhin die einzelnen Schulen eigene Konzepte entwickeln sollten. Das sei allerdings zäh verlaufen, berichtete Löwe. Es bräuchte deshalb einen neuen Anlauf, um die Eltern-Lehrer-Konflikte zu überwinden - und zwar nicht nur an einigen Leuchtturmschulen sondern flächendeckend.
Hier sieht er vor allem die Schulleiter in der Verantwortung. „Ich denke, mit Druck des Ministeriums kommt man nicht weiter“, sagte Löwe. „Wir brauchen keine Konzepte, die dann wieder in der Schublade verschwinden“, betonte auch Fleischmann.