Süddeutsche Zeitung

Minderjährige Studienanfänger:Party nach Mitternacht nur mit "Mutti-Zettel"

Mietvertrag, Telefonanschluss, Behördenkram - bei minderjährigen Studenten geht nichts ohne die Eltern. Sogar bei der Studienwahl mischen Mutter und Vater mit.

Von Johann Osel

Erstsemester-Party bis zum Morgengrauen, endlose Sausen im Fachschaftskeller: Es könnte ja so schön sein im Studium. An Hochschulen quer durch die Republik aber hat die Studentenselbstverwaltung Regeln erlassen, die einige Kommilitonen vom lustigen Leben ausschließen - nämlich diejenigen unter 18 Jahren. Für sie endet der Spaß um Mitternacht, es sei denn, sie haben einen "Mutti-Zettel". Damit können Eltern für die Dauer einer Party ihr Erziehungsrecht einer anderen volljährigen Person übertragen, die "genug erzieherische Kompetenz hat, um meinem Kind Grenzen setzen zu können, besonders hinsichtlich des Alkoholkonsums". So steht es zum Beispiel auf dem Mutti-Zettel, den der Asta in Kaiserslautern verwendet.

Minderjährige Studenten? Früher waren das ein paar einzelne Überflieger, die Klassen übersprungen hatten, noch vor zehn Jahren höchstens ein paar Hundert. Inzwischen aber zählt das Statistische Bundesamt gut 3000. Durch das achtjährige Gymnasium und das Ende der Wehrpflicht sind die Studienanfänger heute viel jünger. Hinzu kommt, dass Anfang des Jahrtausends ungewöhnlich viele Kinder bereits mit fünf eingeschult wurden.

Die minderjährigen Studenten treten zwar nicht in Horden auf, an größeren Unis sind es aber jeweils einige Dutzend. Mitsamt den Problemen: Einschreiben, Anmelden zu Prüfungen, Abgeben von Erklärungen, all das verlangt Volljährigkeit. Ebenso muss man 18 sein, um Uni-Computer zu nutzen, man könnte ja Pornos anklicken. Jugendgefährdende Texte in Vorlesungen sind tabu.

Generalvollmacht der Eltern

Viele Unis holen deshalb Generalvollmachten der Eltern ein. Die Politik zielt lieber auf Klarheit. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben ihre Hochschulgesetze geändert, sie definieren Unter-18-Jährige "für alle Belange des Studiums" als volljährig. "Die Leute sind studierfähig, aber nicht geschäftsfähig. Auf den Trend muss man reagieren", sagt der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde. Auch andere Bundesländer könnten ihre Gesetze ändern.

Und außerhalb der Uni? Bei Mietvertrag, Telefonanschluss und Behördenkram geht zum Studienstart nichts ohne die Eltern. Das nimmt der Immatrikulation ihren Nimbus des Aufbruchs in die Freiheit. Neben den Minderjährigen gibt es wegen des G 8 zudem viele Studenten, die gerade erst 18 sind. "Wir haben es mit einer anderen Generation zu tun, die früh mit dem Ernst des Lebens konfrontiert wird", sagt ein Studienberater. Im Schnitt seien Schüler heute erst 16, wenn sie sich für ein Studienfach entscheiden. Dies stärke dann die Rolle der Eltern. In der Branche erzählt man, dass Eltern teils sogar ohne ihr Kind zur Beratung kommen; oder die Mutter beim gemeinsamen Besuch sagt: "Wir wollen Chemiker werden."

Kein Wunder, dass sich Hochschulen nun direkt an Eltern wenden, mit Sprechstunden und "Schnupperwochenenden". In Münster wird das so beworben: Genug Platz im Hörsaal, gesunde Kost in der Mensa, Fleiß im Studium? "Ihr Kind kann Ihnen viel erzählen. Das Beste ist wohl: Sie überzeugen sich einfach selbst!" Und ein Wegweiser der Erfurter Hochschulen verspricht: "Damit Sie Ihr Kind bei uns in guten Händen wissen!"

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SZ vom 13.12.2014/jobr
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