Minderjährige Abiturienten an der Uni:Die Uni als Verlängerung der Kindheit

Kaum hat sich die Besuchergruppe aus der winzigen Bude hinausbewegt, geht es weiter - in den Hörsaal 5F. Familie Pesch aus Neuss hat dort in Reihe 9 Platz genommen. Gleich geht der Vortrag los. Thema: "Wie unterstütze ich mein Kind bei der Studienauswahl?" "Unser Ältester will im Oktober nämlich Informatik studieren, der ist dann aber erst 17", erklärt die Mutter. Bei der Immatrikulation wird sie mitunterschreiben müssen, ebenso bei der ersten Prüfungsanmeldung. Das ist ja keine Seltenheit mehr in Düsseldorf. 2010 waren gerade mal vier Minderjährige hier eingeschrieben, im vergangen Wintersemester waren es schon 66. Tendenz steigend.

Einst war die Immatrikulation eine Unabhängigkeitserklärung, raus aus dem Kinderzimmer, rein ins wilde Leben. Zwar oft weiter nah an Papas Portemonnaie, aber weg aus dem elterlichen Zugriff. Nun scheint die Uni nicht mehr das Sprungbrett ins Erwachsenleben zu sein, eher die Verlängerung der Kindheit. "Man merkt, dass die jungen Studierenden heutzutage weniger Lebenserfahrung mitbringen, vor allem wenn es um das eigenständige Arbeiten geht", sagt Professor Stefan Süß, Dekan der Wirtschaftsfakultät in Düsseldorf. Er hält einen Vortrag heute, zu den Perspektiven im Fach BWL - die Hälfte der Zuhörer sind Eltern.

Man hört Propeller kreisen

"Manche Erstsemester wirken noch etwas unsicher auf dem Campus", meint Süß. Er hat im Uni-Alltag schon seine Erfahrungen mit G-8-Eltern gemacht. "Neulich hat eine Mutter angerufen, um ihren Sohn zu entschuldigen, er könne wegen Krankheit nicht an der Vorlesung teilnehmen", erzählt er und lacht. Klingt nach Schule.

"Helikopter-Eltern" werden diejenigen Mütter und Väter gerne genannt, die ihre Sprösslinge nicht loslassen wollen und in jedem Moment drohender Schwäche zum Landeanflug ansetzen. Auch beim Informationstag in Düsseldorf hört man den einen oder anderen Propeller kreisen.

Ino Lambers hat mit seinen Eltern mittlerweile alles erkundet. "Schon spannend", sagt sein Vater. Ja, doch, ein Chemie-Studium hier in Düsseldorf kann sich die Familie für den Sohn gut vorstellen. "Dann wirst du aber hierhin ziehen müssen, die 160 Kilometer kannst du ja schlecht pendeln", sagt die Mutter und klingt durchaus besorgt. Der 17-Jährige reagiert gelassen, er werde schon ein nettes Zimmer finden.

"Na ja", sagt schließlich der Vater, "früher oder später muss sich ja jedes Kind vom Elternhaus abnabeln."

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