MBA-Tagebuch:Alles durchgetaktet

MBA-Tagebuch: Fabiola Chiang strebt eine internationale Karriere im Marketing an. Das kostspielige Studium finanziert sie mithilfe eines Stipendiums.

Fabiola Chiang strebt eine internationale Karriere im Marketing an. Das kostspielige Studium finanziert sie mithilfe eines Stipendiums.

(Foto: privat)

Eine Fallstudie nach der anderen: Eine MBA-Studentin erzählt von ihrem Leben an der Business School.

Protokoll von Rebekka Gottl

Seit August 2019 nimmt Fabiola Chiang am einjährigen Fulltime-MBA-Programm der WHU Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf teil. Zuvor studierte die 30-Jährige in ihrer Heimat Ecuador und arbeitete dort danach mehrere Jahre als Marketing-Managerin, zuletzt in einer Digital-Agentur. Chiang hat für die SZ aufgeschrieben, wie eine typische Woche in ihrem Leben als MBA-Studentin aussieht. Dafür wählte sie einen Zeitraum Mitte Januar, als sich das Semester dem Ende zuneigte.

Montag, 13. Januar

"Gegen zwanzig vor neun mache ich mich auf den Weg zur WHU. Viel Schlaf habe ich nicht bekommen, da ich gestern Abend die 17-seitige Fallstudie durchgelesen habe, die wir morgen besprechen werden. Doch heute steht die Vorlesung ,Kosten- und Leistungsrechnung' auf dem Stundenplan. Von neun bis 17 Uhr widmen wir uns der Analyse von Jahresberichten und machen anhand öffentlich zugänglicher Informationen Aussagen zur finanziellen Situation von Unternehmen. Den Kursinhalt werde ich zu Hause noch mal durchgehen, kommende Woche findet das Seminar zum nächsten Mal statt. Die Wiederholung ist nötig, denn durch den straffen Zeitplan kommen wir in den kommenden Vorlesungen nicht mehr darauf zurück.

Einige der Theorien und Begriffe, die wir an der WHU vertiefen, habe ich schon in meinem Bachelorstudium in Business Administration an der Technischen Universität Federico Santa Maria in der ecuadorianischen Küstenstadt Guayaquil gelernt - allerdings auf Spanisch."

Dienstag, 14. Januar

"Meine Wohnung war ein echter Glücksgriff, zu Fuß brauche ich keine Viertelstunde bis zur WHU. Das ist nicht selbstverständlich. Für Studierende aus dem Ausland ist es nämlich gar nicht so leicht, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Mit Dokumenten wie der Schufa und dem Einkommensnachweis hat mir mein Bruder geholfen, er wohnt seit achtzehn Jahren in Köln. Das Appartement teile ich mir mit meinem Freund. Mit ihm verbringe ich die meiste Zeit des Tages, da auch er seit vergangenem Sommer an der WHU studiert. Das ist super, sonst würden wir uns wohl nur selten sehen, da ich fast jeden Tag bis acht oder zehn Uhr abends an der Business School bin.

Nach dem regulären Unterricht setze ich mich mit meiner Arbeitsgruppe zusammen, um über die Fallstudie zu sprechen, für die ich mir schon am Wochenende Notizen gemacht habe. Ich finde es wichtig, gut vorbereitet zu sein. Denn wer die Papers nicht liest, kann nicht mitreden und letztlich auch nicht mit den anderen mithalten. Fallstudien beschreiben auf zehn bis zwanzig Seiten eine problematische Situation in einem Unternehmen. Heute geht es zum Beispiel um einen Textilkonzern in der Schweiz. Unsere Aufgabe ist es, in die Rolle der Manager zu schlüpfen und - einfach gesagt - das Problem zu lösen. Anhand der vorliegenden Informationen überlegen wir dann, was falschgelaufen ist und welche Entscheidungen wir treffen könnten, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen."

Mittwoch, 15. Januar

"Auf den heutigen Tag freue ich mich schon länger. Am Vormittag besuchen wir einen Hersteller von Sanitärprodukten. Das Unternehmen finde ich auch als künftigen Arbeitgeber interessant, denn es entwickelt sich ständig weiter und ist mittlerweile digital ausgerichtet. Nachdem Mitarbeiter ihre Arbeitsbereiche vorstellten, gab es die Möglichkeit, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich habe mich mit einer Mitarbeiterin im Marketing unterhalten, das finde ich nach wie vor spannend.

Anfang nächster Woche steht eine Klausur in Strategic Sourcing an. Es ist eine von vier Prüfungen, mit denen das zweimonatige Modul abschließt. Im Kurs haben wir gelernt, wie wir den Einkauf optimieren können, indem wir uns etwa regelmäßig mit den Lieferanten austauschen. Um zu sehen, wo ich mich noch verbessern kann, schreibe ich am Nachmittag eine Probeklausur. Es ist ein Open Book Exam, das heißt, ich darf währenddessen in meinen Notizen und Büchern blättern und muss nicht alles auswendig wissen. Vielmehr sollen wir komplexe Sachverhalte mithilfe unserer Aufzeichnungen lösen können. Genau so, wie es im Berufsleben von uns verlangt wird."

Donnerstag, 16. Januar

"Die WHU habe ich gewählt, weil sie in verschiedenen MBA-Rankings immer wieder gut abschneidet und im weltweiten Vergleich vorne mitmischt. Trotzdem war die Entscheidung, nach knapp zehn Jahren im Beruf noch einmal zu studieren, nicht einfach für mich. Die Arbeit in der Werbeagentur war mit viel Verantwortung verbunden und hat Spaß gemacht. Dort habe ich Strategien für Online-Werbung entwickelt und mit namhaften Kunden wie General Motors zusammengearbeitet. Ich merkte aber auch, dass ich mich weiterentwickeln muss, um auch international eine strategische Position im Marketing übernehmen zu können und meine Karriere auf das nächste Level zu heben.

Das Bewerbungsverfahren der WHU war recht aufwendig. Bevor ich zu einem Auswahlgespräch eingeladen wurde, musste ich meine Zeugnisse einreichen und etliche Fragen schriftlich beantworten, etwa wie mein Fünf-Jahres-Plan aussieht. Am schwierigsten war aber der GMAT, bei dem meine Kenntnisse in Mathe und Englisch abgefragt wurden. Drei Monate habe ich mich auf den Test vorbereitet. Zum Glück erfolgreich, sodass ich nun in Deutschland studieren kann. Denn obwohl meine Eltern in Ecuador geboren sind, haben sie meinen Brüdern und mir ermöglicht, die Deutsche Schule in Guayaquil zu besuchen. So bin ich schon früh mit der deutschen Sprache und Kultur in Kontakt gekommen.

Einige meiner Kommilitonen sind ohne Deutschkenntnisse nach Düsseldorf gekommen, was kein Problem ist, da alle Seminare auf Englisch stattfinden. Trotzdem besuchen die meisten einen Anfänger-Sprachkurs. Dafür stehen sie sogar besonders früh auf, der Kurs beginnt schon um sieben Uhr morgens. In der deutschen Sprache fühle ich mich recht sicher. Daher verzichte ich auf den zusätzlichen Kurs und komme wie gewohnt um neun Uhr zur WHU. Mein Deutsch versuche ich selbständig weiter zu verbessern, um nach dem Abschluss im Sommer auch hier arbeiten zu können."

Freitag, 17. Januar

"Mit der Suche nach einem künftigen Arbeitgeber fangen wir schon während des Studiums an. Das Career-Center der WHU unterstützt uns dabei. Regelmäßig lädt es Repräsentanten eines Unternehmens ein, sich vorzustellen. Heute besucht uns der Finanzchef von Adidas. Vertreter des Technikherstellers Bosch, des Kosmetikherstellers L'Oréal sowie Mitarbeiter von Henkel und Beiersdorf waren auch schon hier.

Am Nachmittag präsentieren wir die Ergebnisse unserer Fallstudie und bekommen direkt die nächste ausgeteilt. Die Arbeitsgruppen sind sehr international, da meine Kommilitonen aus verschiedenen Ecken der Erde stammen. Von Peru über Nigeria, Jordanien und Indien bis nach China. 21 Nationalitäten sind in meinem Jahrgang insgesamt vertreten. Durch die Gespräche mit meinen Kommilitonen bekomme ich Einblicke in diverse Kulturen, aber auch in verschiedene berufliche Bereiche. Allein in meiner Kleingruppe, die aus sechs Leuten besteht, sind eine Sprachwissenschaftlerin, ein Mediziner, ein Bauingenieur und ein Nachhaltigkeitsforscher. Im Durchschnitt haben die meisten sechs bis sieben Jahre Arbeitserfahrung. Vor Kurzem sollten wir ein finanzielles Problem lösen, hatten aber keinen Finanzexperten in der Gruppe. Da war es spannend zu sehen, wer welche Stellung in der Gruppe einnimmt - also, wer den Ton angibt und wer sich wie einbringt. Bei der nächsten Fallstudie könnte die Verteilung dann wieder ganz anders aussehen."

Samstag, 18. Januar

"Im Sommer sind wir samstagabends oft ausgegangen. Mittlerweile haben wir alle so viel zu tun, dass wir auch an den Wochenenden lernen, Essays schreiben oder Fallstudien lesen. Ich wusste zwar, dass das MBA-Studium anstrengend wird, über mehr Freizeit würde ich mich trotzdem freuen. Daher fiebere ich schon unseren Studienaufenthalten im Ausland entgegen. In zwei Wochen geht es nach Neu-Delhi, ein paar Kommilitonen und ich werden schon etwas früher fliegen als der Rest. Einer meiner Klassenkameraden hat eine Rundreise über Jaipur und Agra organisiert und wird uns seine Heimat zeigen. Ich liebe es, zu reisen und in andere Kulturen einzutauchen. Um zu verstehen, wie Menschen arbeiten, ist es sinnvoll zu sehen, wie sie leben. Die Kosten für das Visum und die Flugtickets tragen wir selbst, zusätzlich zu den Studiengebühren von 39 000 Euro für ein Studienjahr. Die Kosten sehe ich als Investment in meine Zukunft. Trotzdem könnte ich mir das ohne das ,Women-in-Business-Stipendium' der WHU und die Unterstützung meiner Eltern wohl nicht leisten. Viele haben einen Kredit aufgenommen und hoffen nach dem Abschluss auf ein gutes Gehalt."

Sonntag, 19. Januar

"Heute wache ich vom Piepsen meines Handys auf. Eine Kommilitonin hat eine Frage zur anstehenden Klausur. Aufstehen wollte ich sowieso, daher tippe ich eine Antwort und mache mich danach auf den Weg zur WHU. Das Career-Center hat einen Schauspieler eingeladen, der uns in einem Workshop beibringt, wie man die eigene Stimme in einer Rede kraftvoll einsetzt und wie wir unsere Mimik, Gestik und Körperhaltung kontrollieren können. Es geht darum, unsere Führungskompetenzen zu verbessern. Im Anschluss an seine Erklärungen bereite ich einen Drei-Minuten-Pitch vor, der potenzielle Investoren oder Kunden von einer Idee überzeugen soll. Das ist ein gutes Training, besonders im Hinblick auf baldige Vorstellungsgespräche. Dann wird mich das, was ich jetzt lerne, mit Sicherheit weiterbringen."

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