Luxuriöse Studentenwohnheime:Studieren mit Schampus und Concierge

Luxuriöse Studentenwohnheime: "Studenten wollen sich heute voll aufs Studium konzentrieren", sagen die Vermieter. Joana Draper muss sehr wohl jobben - und einen Kredit aufnehmen.

"Studenten wollen sich heute voll aufs Studium konzentrieren", sagen die Vermieter. Joana Draper muss sehr wohl jobben - und einen Kredit aufnehmen.

(Foto: Hannes Vollmuth)
  • Um billige Studentenzimmer ist längst ein Kampf entbrannt, jetzt wittern Investoren ein Geschäft.
  • Ihre luxuriösen Wohnheime bieten hohen Komfort, die Mieten sind entsprechend teuer.
  • Statt für Entspannung auf dem Mietmarkt zu sorgen, treiben sie die Preise weiter nach oben.

Von Hannes Vollmuth

Die Wände sind weiß, das Kochfeld aus Ceran und mit Touchpad, im Badezimmer Schieferfliesen, an der Sprechanlage ein Monitor. 27 Quadratmeter Studentenleben. Joana Draper zahlt dafür 598 Euro. Draper ist 25, studiert Jura und wohnt in einem Studentenwohnheim in Freiburg. Es heißt "The Fizz" - was so viel bedeutet wie "zischen" oder "Schampus". Draper überweist ihre 598 Euro Miete nicht dem örtlichen Studentenwerk. Das Geld zahlt sie der International Campus AG, Erbauer und Betreiber von "The Fizz". Hundert Mails hat Draper im Sommer geschrieben, sie brauchte ein Zimmer. Sie hat beim Studentenwerk gefragt, hat Wochen gesucht, verzweifelt. Bekommen hat sie: nichts. Bei "The Fizz" genügte ein Anruf. Sie musste nur sagen: Ich will ein Zimmer.

Billige Studentenzimmer fehlen schon lange, aber mittlerweile wird richtig gekämpft. Es gibt WG-Castings, es gibt WG-Speed-Datings und bei manchen Studentenwerken Wartelisten mit 1000 Namen. Es gibt Studenten, die drei Stunden pendeln, im Hostel schlafen oder Monate nach Semesterstart noch auf Sofas zu Gast sind.

Die Zahl der Studenten wächst, auf derzeit 2,7 Millionen - die Infrastruktur wächst nur langsam. Weil die Not so groß geworden ist, drängen zunehmend private Investoren in diesen Markt. 30 000 Apartments haben sie schon aus dem Boden gestampft, so schätzt es das staatlich geförderte Deutsche Studentenwerk, weitere 20 000 sollen entstehen. Die Anlagen heißen "The Fizz", "The Flag" oder "Studiosus".

Dachterrasse und Nobel-Herd muss man sich erst mal leisten können

Es gibt Concierges, Washing-Lounges mit Fernseher und Dachterrassen mit Blick über die Stadt. Es gibt Fitnessstudios, Tiefgaragen und Meeting-Räume. Es sind sogar Spielekonsolen im Inventar. Ein staatlich gefördertes Zimmer vom Studentenwerk kostet 230 Euro, im Durchschnitt. In den privaten Wohnheimen ist die Miete mindestens doppelt so hoch, aber es können auch 700 oder 800 Euro sein. Überall entstehen diese neuen Studentenzimmer, die Deluxe-Variante der klassischen Bude.

In Freiburg, im "Fizz", öffnet Draper die Tür zu ihrem Balkon. Draußen kriecht der Nebel über die Hänge des Schwarzwalds, drinnen riecht es wie im Möbelhaus. "Erstbezug", sagt Draper ins stumme Zimmer. Die Isolation ist so gut, dass sie nie den Nachbarn hört. Draper mag den Sichtbeton in den Gängen, die Bauhaus-Optik, den Aufzug, der sie lautlos durch sechs ausgebuchte Stockwerke trägt.

Aber für die Miete muss Draper auch viel arbeiten, zudem bezieht sie einen Studienkredit, den sie nach dem Abschluss zurückzahlen muss. Als Job ist sie im "Fizz" ein sogenannter Studi-Helper, eine Art studentischer Hausmeister.

"Konsumverzicht für eine gute Ausbildung"

400 Kilometer vom "Fizz" entfernt, gönnt sich Roman Diehl einen kurzen Blick über die Innenstadt von München. Diehl steht in einem Meeting-Raum, er ist Marketingchef der International Campus AG, dem Betreiber von "The Fizz". Er legt seine Mappe auf den Tisch und erklärt das Wachstum. Drei Wohnheime betreibt die International Campus AG im Moment, 750 Apartments. "Wenn es gut läuft", sagt Diehl, "kommen in fünf Jahren 17 neue Wohnhäuser dazu." 15 000 Wohnungen.

"Es gibt Leute", sagt Diehl, "die sich das ,Fizz' leisten wollen." Managerfamilien, Juristen-Eltern, Ärzte. Aber zu seinen Kunden würden auch Arbeiterkinder gehören, Bildungsaufsteiger. "Die üben Konsumverzicht für eine gute Ausbildung, die wollen sich nicht mit schlechten Wohnqualitäten belastet fühlen." Diehl meint WGs.

Dann spricht er von designorientierten Apartments, Sicherheitsstandards und von der Marktforschung, die er mit seinen Mietern treiben will. Natürlich gegen Bezahlung. Wovon Diehl nicht spricht, ist Luxus. Er sagt: "Das ist nicht unsere Positionierung. Aber wir wollen, dass die Studenten mehr als nur ein Dach über dem Kopf haben."

Investoren entdecken Studenten als neue Zielgruppe

Ein neuer Geschäftszweig ist entstanden, ein Spielfeld für Investoren. In der Immobilienbranche spricht man von einer neuen Anlageklasse mit einer Rendite bis zu sechs Prozent. Risiko? Gleich null, meinen die Unternehmen. Die Zahl der Studenten steigt, während der Mietmarkt kollabiert. Mit Entspannung rechnet niemand. "Zurücklehnen und Miete kassieren", sagt der Immobilienexperte Rainer Ott.

In Freiburg, im "Fizz", lehnt sich Simon Fritz zurück und rollt mit seinem Schreibtischstuhl durch sein Zimmer. An der Wand 200 DVDs, die der Student akkurat ins Regal geschichtet hat. "Die Zeit für Rambazamba ist bei mir vorbei", sagt Fritz, "dafür bin ich zu alt." Fritz ist 33, er möchte schnell zum Abschluss kommen. Das Studium ist sein Projekt.

521 Euro zahlt Fritz für 24 Quadratmeter, alles inklusive. Dafür bekommt er Service, einen Concierge, der seine Pakete annimmt, massive Möbel, ein schönes Bad und ein ruhiges Zimmer. So sieht es Fritz. Er war mal Banker, dann wollte er Pfarrer werden, heute studiert er Psychologie. Wenn man so will, ist Fritz der ideale Bewohner eines privaten Wohnheims für Studenten. Kurz: die Zielgruppe.

"Studenten wollen sich heute voll aufs Studium konzentrieren", sagt Stefan Brauckmann, "die wollen die Tür zu machen und lernen." Schlaflose Nächte mit wummerndem Bass und blockierte WG-Toiletten wollen Studenten nicht. So sieht es Brauckmann. Er analysiert für die GBI AG in Berlin den studentischen Wohnungsmarkt. Das Immobilienunternehmen war mal spezialisiert auf Hotels. Seit ein paar Jahren baut die GBI AG auch "Smartments" für Studenten.

Es gibt keine Entspannung, die Mieten steigen weiter

Acht große Unternehmen tummeln sich schon auf dem Wohnungsmarkt für Studenten. Sie konzentrieren sich auf die reichsten 26 Prozent, die nach der Sozialerhebung des Studentenwerks mehr als 1000 Euro monatlich haben. Das ist offiziell die Zielgruppe, für Mieten von 450 Euro und mehr. So steht es in den Analysen. Dass selbst Studenten wie Simon Fritz dafür arbeiten müssen, steht darin nicht. "Das Studium wird professioneller", sagt Brauckmann, "also muss auch das Wohnen professioneller werden."

Man könnte sagen: Wohnheime wie das "Fizz" in Freiburg sind teuer, aber es entstehen Zimmer, es entstehen Apartments, Wohnraum. Man könnte sagen, das entspannt den Markt. Aber Renate Heyberger hat inzwischen Zweifel. Die stellvertretende Geschäftsführerin des Studentenwerks in Freiburg kennt Leute, die sich das leisten können und ins "Fizz" wollen. "Das entlastet den Markt", sagt sie . Eigentlich. Was Heyberger auch beobachtet: "Die privaten Vermieter ziehen nach."

Es gibt keine Entspannung, die Mieten steigen weiter. "Die noch höheren Mieten hat das ,Fizz' möglich gemacht." Früher galten Studenten als arm, eher unzuverlässig, kompliziert. Heute sind sie eine Zielgruppe. Ob sie wollen oder nicht. Der studentische Wohnungsmarkt hat jetzt sein Luxussegment, mit Folgen. Auch wenn die Unternehmen nur von "höheren Standards" sprechen wollen.

Uni-Städte in Deutschland

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: