Lehrerin über Schulkleidung:Bedeckt die Brustwarzen!

Justin Bieber gestures at a beach as he takes a break in a resort in Punta Chame, on the outskirts of Panama City

Sieht auch bei Justin Bieber fragwürdig aus: freizügiges Oberteil.

(Foto: REUTERS)

Schülerinnen kleiden sich freizügig, Schulleiter kontern mit Verboten. Auch Lehrerin Catrin Kurtz trifft auf wenig bekleidete Kinder - und weiß, wie der Konflikt zu lösen ist.

Was muss mein von Deutschabschlussprüfungen geplagtes Lehrerauge da in letzter Zeit in den Zeitungen lesen? "Schule verbietet aufreizende Kleidung" oder auch "Hilflos vor den Hotpants" - meistens geht es in diesen Artikeln um zu freizügig angezogene Mädchen. Dass ich mir, seitdem es so warm ist, jeden Freitag in der Doppelstunde evangelische Religionslehre die Brustwarzen eines Achtklässlers anschauen muss, davon steht in diesen Zeitungen nichts. Denn ja: Auch Schüler (also die männlichen) können sich zu "aufreizend" kleiden.

Muskel-Shirts mit Ausschnitt bis auf Höhe des Bauchnabels, und zwar nicht nur vorne, sondern auch seitlich unter den Armen. Warum zieht er eigentlich überhaupt noch etwas an? Warum lässt ihn seine Mutter so aus dem Haus gehen? Ist ihm das nicht peinlich? Er hat ja noch nicht mal Muskeln. Sieht ganz schön dämlich aus mit seinen Zahnstocherarmen in diesem Fetzen aus Stoff.

Die Lehrerin

Catrin Kurtz schreibt für SZ.de unter Pseudonym und hat bereits während des Schuljahres 2013/14 im Lehrer-Blog aus ihrem Alltag als Pädagogin berichtet (unter diesem Artikel finden Sie eine Auswahl ihrer Texte). Sie unterrichtet an einer bayerischen Realschule die Fächer Deutsch und Evangelische Religionslehre.

Solche Fragen quälen mich regelmäßig in meinem Religionsunterricht. Ich kann mich schon gar nicht mehr konzentrieren, so abgelenkt bin ich von diesem mageren Muskel-Shirt-Schüler. Auf der anderen Seite frage ich mich jede Woche gespannt wieder, ob er das Leibchen aus der Vorwoche wohl noch toppen kann. Da habe ich kein Auge mehr für irgendwelche Hotpants oder bauchfreie Tops bei Schülerinnen, das möge man mir verzeihen.

Es ist nicht so, dass nur mir das winzige Hemdchen aufgefallen ist, auch die ein oder andere Schülerin kommentiert diesen peinlichen Aufzug. Sogar die Klassenzimmertemperatur wird bereits an den Nippeln besagten Schülers abgelesen: "Frau Kurtz, dem Fabian ist kalt, machen Sie mal das Fenster zu." Das fand Fabian nicht sonderlich lustig und konterte: "Du musst ja gerade reden, Theresa! Dein Bauchnabelpiercing ist von der Sonne ja noch so heiß, es brennt gleich ein Loch in den Tisch, wenn du dich mit deinem nackten Bauch dagegen lehnst."

Jetzt, wo er es sagt, fällt es mir auch auf, Theresa sieht tatsächlich aus, als käme sie direkt aus dem Freibad. Da ist sie also doch, die Hotpant und das bauch- und dekolletéfreie Top. Vielleicht bin ich von all der Werbung mit halbnackten Frauen schon so abgestumpft, dass mir so was gar nicht mehr auffällt - während halbangezogene männliche Schüler wohl außergewöhnlicher sind. Außerdem habe ich eben erst stundenlang Aufsicht in den Abschlussprüfungen geschoben und muss zugeben: Wer will es den Schülern verdenken, dass sie bei der Hitze nicht im Rollkragenpulli ankommen, sondern in Shorts und Tops, vielleicht auch mal bauchfrei.

Fabian und Theresa habe ich ein paar Tage nach der oben beschriebenen Szene in der Pause gesehen; Außentemperatur: 34 Grad. Beide waren ganz züchtig angezogen, manche Probleme regeln die lieben Kinder mit den richtigen Worten und bissiger Kritik halt untereinander besser, als so mancher Schulleiter das per Zwangsbekleidung mit einem XXL-T-Shirt könnte. So als Schulleiter im klimatisierten Erdgeschossbüro lässt sich sommerliche Kleidung auch leicht verbieten. Und meine Lehrerkollegen, die sich regelmäßig über die halbnackte Jugend beschweren, sind nur neidisch, weil sie schwitzen müssen und sich nicht trauen, sich luftiger anzuziehen.

Lasst die Kinder anziehen, was sie wollen, solange Eltern und Mitschüler das okay finden - und die wichtigsten Stellen bedeckt sind (Nippel!). Im Zweifelsfall merken die Schüler selbst, wenn ein Kleidungsstück zu knapp oder anderweitig unpassend war. Selbsterkenntnis ist pädagogisch wertvoller als Verbote. Ich werde mir jetzt meine Klamotten für morgen bereitlegen. Es soll ja warm werden, wie wäre es mit Hotpants und Top?

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