"Jetzt wird es kompliziert, die Lehramtsstudenten können sich mal eben kurz die Ohren zuhalten." Solche Sätze sind schon in Mathematikvorlesungen gefallen - was der Professor womöglich halb im Scherz gemeint hat, trifft den Kern des Problems.
Um die Ausbildung der Lehrer ist es an vielen Universitäten nicht gut bestellt, sie wird oft irgendwie nebenbei erledigt. Die Studenten sitzen in Veranstaltungen mit angehenden Fachwissenschaftlern, werden da gern mal schief angeschaut, sie müssen sich bei mehreren Schulfächern Nachweise an zwei, drei Fakultäten zusammenklauben, ein paar pädagogische Scheine dazu. Fertig ist der Lehrer. Zu selten gibt es eine kluge Koordination und passgenaue Angebote. Schleichend hat sich seit den Pisa-Studien etwas geändert, zum Beispiel mit frühen Praxisphasen. Das Problem ist erkannt. Einen Schub für das Studium will jetzt der Bund liefern. Er steigt mit einer halben Milliarde Euro, bis 2023, in die Lehrerausbildung ein.
Die Frist, in der Hochschulen für eine erste Runde Ideen einreichen konnten, ist vorüber. Nun warten und bangen quer durch die Republik die Professoren. 80 Bewerbungen, teils von Unis im Verbund, sind nach SZ-Informationen eingegangen. Ende Februar tagen in Berlin hinter verschlossenen Türen die Gutachter.
Schulpädagogik-Professor über Lehrer:"Es muss auch mal hart zugehen"
Hilbert Meyer forscht seit Jahrzehnten zum Lehrerberuf. Im Interview erklärt er, wie sich der Job gewandelt hat, was Lehrer in Zeiten der Digitalisierung können müssen und warum der Igel Symboltier aller Lehrenden sein sollte.
Manche Hochschulen wollen Lehrer dafür sensibilisieren, dass die Schülerschaft vielfältiger wird - durch Kinder mit ausländischen Wurzeln oder mit Behinderung. Stichwort: Inklusion. Ausbauen könnten Unis ihre pädagogische Forschung, zudem soll es mehr Praxisbezug geben. Ähnlich wie in der Medizin, wo Universitäten Kliniken unterhalten, sind sogar eigene Schulen für Lehrerbildung denkbar. Zwei Umfragen von Stiftungen zeigen den Bedarf: Nur ein Drittel der Studenten hält den Praxisbezug für gut, die Hälfte der Befragten hadert mit ihrer Betreuung an der Uni. Und zwei Drittel der Junglehrer gaben zu, einen "Praxisschock" erlitten zu haben.
Der Blick vieler Hochschulen geht nach München, an die Technische Universität. Dort gibt es eine "School of Education", erstmals bekam die Lehrerbildung hier eine Fakultät. Zum Start hatte man aber eine Millionenspende aus der Wirtschaft; und einen bekannten Gründungsdekan: Manfred Prenzel, den deutschen Koordinator der Pisa-Studie. Münchner Studenten sind nah dran an Erkenntnissen der Forschung, zudem gibt es viele Partnerschulen. Der Rang der eigenen Fakultät kommt hinzu. An mehreren Hochschulen wird berichtet, dass man genau solch ein Konzept in den Antrag beim Bund geschrieben habe.
Fachwissen oder Leidenschaft?
Fast ein halbes Jahrzehnt hat es gedauert, bis diese Initiative in Fahrt kam. 2011 hatte die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Ländern eine "Exzellenzinitiative" für Lehrer vorgeschlagen. Prompt ging die Angst um, dass nur ein paar Spitzen-Unis profitieren. Das Projekt wurde gedimmt, zur "Qualitätsoffensive". Und es geschah erst mal: nichts. Auch wegen der Frage, wer bezahlt.
Bei der endgültigen Abstimmung koppelte die neue Ministerin Johanna Wanka den Beschluss an eine Forderung: Die Länder müssen Lehramtsabschlüsse gegenseitig anerkennen. Die Neuerung, wenn sie in der Praxis besteht, ist wichtig: Je nach Land, Schulart und Fach herrscht ein Überangebot oder Mangel an Lehrern. Der Grenzverkehr wird da immer wichtiger.
Sicher stecken einige Gewinner-Hochschulen die Förderung in die Auswahl ihrer Studenten. Bis dato zählt zur Zulassung nur die Note. Doch ist das Abitur entscheidend? Der ideale Lehrer muss ein leidenschaftlicher Pädagoge sein und ein Meister seines Fachs - so lässt sich die Forschung zusammenfassen, einige Studien betonen das Fachliche, andere das Menschliche. Eine Auswahl nach Person gibt es kaum - nur vereinzelt "Castings": Die Bewerber werden befragt, müssen Unterricht simulieren, brenzlige Situationen nachstellen. Wer nur den sicheren Job als Grund für die Berufswahl nennt, wer der Jury nicht in die Augen schauen kann, wer bei Stress in Tränen ausbricht - dem wird geraten, über die Wahl nachzudenken. Unverbindlich. Mit dem Geld des Bundes könnten solche Castings künftig Standard werden.