Blasse Schülerin, ungläubige Eltern: "Aber nach meinen Berechnungen muss das in Mathe noch eine Vier sein!" - "So leid es mir tut, aber nein." Es sind die Tage nach Notenschluss, jetzt steht fest, wer das Jahr geschafft hat - und wer nicht. Mein Satz zerstört letzte Hoffnungen (bei den informierten Eltern) oder Illusionen (bei den nicht informierten Eltern). Manchen Schülern (und Eltern!) war absolut nicht klar, dass sie mit zwei Fünfen durchfallen, beziehungsweise, dass sie überhaupt zwei Fünfen bekommen.
Klara, die Sechstklässlerin, die mit Mutter und Vater vor mir sitzt - nicht das erste Mal, wir hatten bereits ein Krisengespräch zum Halbjahr -, hat sich bei ihrer Mathenote schlicht verrechnet. Sie war davon ausgegangen, dass ihre Leistungen "locker" für eine Vier reichen. Die Fünf in Englisch hatte sie schon erwartet, aber jetzt auch noch in Mathe - die Verzweiflung ist groß. Ich versuche zu erklären, dass es mit zwei Fünfen wahrscheinlich besser ist, das Jahr zu wiederholen.
Klara hat offenkundig gravierende Defizite in beiden Fächern und gerade in Englisch wird in den kommenden Jahren auf das aufgebaut, was in Klasse sechs auf dem Lehrplan steht. Wenn sie schon Probleme hat, die englischen Zeiten richtig zu bilden, wie soll sie sie dann später in Aufsätzen richtig verwenden?
Letzter Ausweg: Nachprüfung
Die Eltern sind nicht überzeugt von meiner Argumentation: Ob Klara nicht in die Nachprüfung gehen könne? Kann sie durchaus, aber, liebe Eltern, wollen Sie das wirklich?
Die Nachprüfung ist in Bayern die letzte Möglichkeit, das Sitzenbleiben noch abzuwenden: Wer in höchstens drei Fächern eine Fünf oder schlechter hat, kann vor Beginn des neuen Schuljahres in den kritischen Fächern eine Prüfung ablegen; die Abschlussnote wird dann gegebenenfalls korrigiert. Empfehlenswert ist das aber nur, wenn dem Schüler oder der Schülerin wegen nicht ausreichender Noten in Nebenfächern eine Ehrenrunde droht. Bei Klara geht es gleich um zwei Kernfächer.
Nachprüfung bedeutet außerdem: Klara muss die kompletten Ferien durchlernen, Stress und Ärger sind da programmiert. Das alles für die vage Aussicht, doch noch irgendwie auf eine Vier zu kommen. Wenn Sie mich fragen, ist das in vielen Fällen eher unwahrscheinlich. Wie sollen Schüler in sechs Wochen Wissenslücken schließen, die sie das ganze Schuljahr nicht schließen konnten? Und selbst wenn Klara das Wunder schafft: Wie nachhaltig ist der Lernerfolg?