Die Pisa-Studie ist mal wieder veröffentlicht und ehrlich gesagt tangiert mich das Ganze nur noch peripher. Schließlich wird inzwischen alle Naselang irgendein Bildungstests durchgeführt, Iglu, Vera, Jahrgangsstufenvergleichsarbeiten und was es außer Pisa nicht noch alles gibt.
Klar habe ich mitbekommen, dass China im OECD-Ranking ganz vorne gelandet ist. Allerdings finde ich das angesichts der dort herrschenden Bildungskultur nicht weiter überraschend. Auch dass Deutschland abermals besser abgeschnitten hat, habe ich mitbekommen. Aber freue ich mich darüber? Ich bin eher erleichtert und hoffe, dass diesmal Schnellschussreaktionen und in der Schule nicht umsetzbare Forderungen ausbleiben.
Unabhängig von Pisa und Co. versuche ich, meinen Schülern so viel wie möglich beizubringen. Aber dazu gehört nun einmal nicht nur reines Pauk- und Abfragewissen, dazu gehören auch Kompetenzen, die keiner dieser Tests misst. Wäre China noch immer an erster Stelle, wenn es um kritisches Infragestellen von vorgegebenen Strukturen ginge oder die freie Meinungsäußerung?
Offene Fragen statt Multiple-Choice
Ich würde mir wünschen, dass in Bildungstest, die ja auch etwas über die Qualität von Schule sagen sollen, weniger vorgefertige Antworten abgefragt werden. Warum fragt man nicht mal ganz direkt die Schüler, was sie an ihrer Schule stört? Meinen Sechtsklässlern würde da Einiges einfallen.
Der Pausenhof ist nur aus Beton, kein Platz zum Toben und Fußballspielen. Die Schulbücher sind uuuralt - wer sind denn bitte diese Spice Girls, von denen im Englischbuch die Rede ist? Warum sind die Computer im PC-Raum langsamer als der Rechner von meiner Oma? Warum haben wir keine interaktive Tafel? Kreide ist ja wohl so out.
Warum sind wir so viele Kinder in der Klasse, dass wir eigentlich keine Gruppenarbeit machen können, weil es dann zu laut wird? Warum haben wir keine Sofas im Klassenzimmer, um uns einfach mal auszuruhen? Könnten wir nicht immer zusammen frühstücken? Kevin und Tamara kommen immer ohne Frühstück in die Schule und haben dann solchen Hunger, dass sie sich nicht konzentrieren können.
Ich könnte diese Fragen noch endlos fortsetzen. Ich denke auch, viele Lehrer und Eltern hätten einige konstruktive Vorschläge zu machen, die sicherlich die Lernatmosphäre deutlich verbessern würden und damit wohl auch die Leistungen der Kinder. Und das ganz ohne Bildungswissenschaftler zu sein oder Pisa-Tester.
Wenn ich allerdings mal wieder aus einer Deutschstunde herauskomme, in der wir 20 von 45 Minuten damit verbracht haben, stockend gemeinsam einen nicht besonders schwierigen Text zu lesen, und dann nochmal 20 Minuten gebraucht haben, bis auch wirklich jeder verstanden hatte, um was es geht, dann berufe ich mich gerne auf Pisa: Die deutschen Kinder müssen besser lesen!
Das sind die Momente, in denen ich hoffe, dass die Ergebnisse der ganzen Bildungsstudien- und -debatten tatsächlich auf fruchtbaren Boden fallen. Denn in Sachen Leseförderung muss unbedingt etwas getan werden - und zwar nicht nur im Fach Deutsch.
Aber um das herauszubekommen, hätte ich persönlich keine nicht zuletzt teure Pisa-Studie gebraucht. Da reicht mir eine Deutschstunde, um das zu diagnostizieren.