Süddeutsche Zeitung

Fakten zum Latinum:Latein zwischen Blüte und Verfall

Nach Plänen der Regierung in Nordrhein-Westfalen soll der Nachweis des Latinums für alle Lehrer entfallen, seitdem tobt bundesweit ein Grundsatzstreit. Einige Fakten zur Rolle der alten Sprache in Schulen und Universitäten.

Latein erblüht und Latein verfällt - das ist die paradoxe Situation. Zunächst zur Blüte: die Nachfrage, an der Schule die Sprache zu lernen, ist konstant bis leicht steigend, im Vergleich zur Jahrtausendwende ist der Anteil der Lateinschüler um fast ein Drittel gewachsen. In den Neunzigerjahren war das Fach stark unter Druck geraten. Nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes lernen fast neun Prozent aller Schüler gerade Latein (hier sind nichtgymnasiale Schularten eingerechnet), in Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist der Prozentsatz zweistellig. Das ist Platz drei hinter Englisch und Französisch, deutlich vor Spanisch.

Experten sehen einen Grund auch im gestiegenen Bildungsbewusstsein in Folge der Pisa-Studien. Weil mittlerweile mehr als die Hälfte eines Jahrgangs Abitur macht, suchten viele Eltern durchaus nach Merkmalen, die ihr Kind aus der Masse hervortreten ließen. Abitur mit Latein sozusagen als ein "Abitur plus".

Im Gegenzug muss man auf den Verfall blicken: Das Latinum - einst Eintrittskarte für viele Studiengänge - hat an Bedeutung verloren. Jura und Medizin verzichten in der Regel auf das Zulassungskriterium. Mit der Bologna-Reform wurde an vielen Unis für Geisteswissenschaften im Bachelor die Lateinpflicht gestrichen, für den Master wird erst ein Nachweis verlangt. Im Lehramt ist Wildwuchs entstanden, Latinum oder Latein-Kenntnisse werden für die Gymnasiallaufbahn in Geschichte, Deutsch, Religion und in Fremdsprachen wie Englisch und Französisch meist gefordert. Aber nicht mehr flächendeckend. Nach Plänen der Regierung in Nordrhein-Westfalen soll der Nachweis für alle Lehrer entfallen, außer wohl in Religion (und natürlich Latein). Das Ministerium hat noch nicht entschieden. Liebhaber und Kritiker des Lateinischen tragen am Schauplatz NRW gerade den Konflikt aus: Ist es noch zeitgemäß, Latein in der Schule zu lernen, die Sprache fürs Studium zu fordern?

Latinum ade? Argumente für und wider die alte Sprache in Schulen und Universitäten.

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Quelle:
SZ vom 22.12.2014 / sz/kjan
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